Alleinerziehend mit Volljährige Tochter, wie sit das recchtlich...

erna
Dabei seit: 03.01.2002
Beiträge: 870
Da unser Sohn mit 23 Jahren auch nicht mehr zu Hause wohnt... haben wir uns auch schon oft mit der finanziellen Unterstützung befasst.

Beim Beobachter gibt es diverse Artikel darüber, wie zum Beispiel diesen Teil:

Weigern sich die Eltern, ihr volljähriges Kind zu unterstützen, muss dieses selbst für die Durchsetzung der Unterhaltspflicht sorgen – notfalls mit einer Klage vor Gericht. Die Eltern sind aber nur verpflichtet zu zahlen,-->>> soweit es ihnen nach individueller Leistungsfähigkeit finanziell zumutbar ist.


http://www.beobachter.ch/arbeit-bildung/lehre-studium/artikel/ausbildung-der-kinder_wie-lange-muessen-die-eltern-bezahlen/

Gibt noch andere Beiträge, wie diesen Gesetzestext:
Das sagt das Gesetz

Jugendliche in Ausbildung, die noch keine ihren Fähigkeiten entsprechende Erstausbildung abgeschlossen haben, haben Anspruch auf Unterhaltsbeiträge der Eltern. Die Betreffenden müssen ihre Eignung für die angestrebte Ausbildung unter Beweis stellen (gute Noten, Lehrerempfehlung, bestandene Prüfungen et cetera). Die Höhe der elterlichen Beiträge hängt von deren Einkommen und Lebensbedarf sowie vom Bedarf der Auszubildenden ab – wobei diese sich ein zumutbares eigenes Einkommen anrechnen lassen müssen.

Die Unterhaltspflicht endet entgegen weitverbreiteter Ansicht nicht mit dem Alter 25, sondern erst, wenn die Ausbildung abgeschlossen ist. Prüfungsmisserfolge sowie übliche Unterbrechungen (Militärdienst, gewisse Berufswahlunsicherheiten und so weiter) liegen drin.

In krassen Fällen (Bummelstudium, Kontaktverweigerung des Kindes) kann die Unterhaltspflicht der Eltern wegen Unzumutbarkeit verneint werden.

Mehr Infos: www.ausbildungsbeitraege.ch
angelface
Dabei seit: 05.11.2005
Beiträge: 411
rechtlich ist der sachverhalt einfach: mit 18 tritt volljährigkeit ein, womit verträge abgeschlossen und der eigene wohnsitz bestimmt werden kann. dabei spielt der stand der ausbildung überhaupt keine rolle.

ist das kind unterhaltsberechtigt, so sind die unterhaltszahlungen, wie thomas fisler richtig schreibt, grundsätzlich nicht mehr an die elterliche obhut sondern das kind zu zahlen. unterhaltsverpflichtete tun gut daran, sich vom berechtigten kind schriftlich bestätigen zu lassen, dass es mit der zahlung an den obhutsberechtigten elternteil einverstanden ist. andernfalls könnte es zu problemen kommen.

wohnt das unterhaltsberechtigte, voll jährige kind im haushalt der obhutsberechtigten person, hat es einen beitrag an den haushalt zu leisten. dieser wird individuell berechnet, wobei die unterhaltszahlungen sowie ein allfälliger lehrlingslohn durchaus mitberücksichtigt werden.

zieht das unterhaltsberechtigte kind in einen eigenen haushalt aus, kann diesen aber nicht aus eigenen mitteln finanzieren, so werden während der erstausbildung beide elternteile im rahmen ihrer leistungsfähigkeit unterstützungspflichtig. in der berechnung dieser unterstützungspflicht wird das einkommen des kindes (z.B. lehrlingslohn), dessen allfälliges vermögen (z.B. aus erbschaft) sowie die finanzielle situation einbezogen.
basis ist grundsätzlich das (einfache) existenzminimum aller drei parteien. einbezogen werden allenfalls auch andere einnahmequellen wie stipendien, sofern überhaupt ein entsprechener anspruch (dabei spielt die finanzielle situation der eltern auch wieder mit) besteht.

grundsätzlich ist es also tatsächlich so, dass ein volljähriges kind in erstausbildung zu einem echten problem werden kann. auch hat die zahl der klagen von kindern gegen ihre eltern auf unterhaltsleistungen in den letzten jahren zugenommen. aus dieser perspektive war die senkung der altersgrenze für die volljährigkeit nicht unbedingt eine erfolgsgeschichte.
pluto
Dabei seit: 23.10.2002
Beiträge: 2313
@angelface, das Hauptproblem in solchen Situationen ist doch meistens die, dass das Wohnen zu Hause keine Mehrkosten verursacht, da die Wohnung bereits auf diese Grösse dimensioniert ist, eine Zweitwohnung jedoch zusätzliche Kosten verursacht. Genauso sind alle Variablen Kosten wie Essen / Wäsche / TV / Telefon etc. im gemeinsamen Haushalt sehr viel günstiger. Eltern stellen sich daher meist auf den Standpunkt, dass es daher die Unterstützung in Naturalien zu Hause gibt, wer aber bei zumutbaren Verhältnissen selber ausziehen will verzichtet auch freiwillig auf diese Leistungen.

Ich denke, dass bei rursi mit der Scheidung kein wirklich voriges Geld vorhanden ist, sondern die Unterstützung nur wie oben beschrieben in Naturalien geleistet werden kann. Ist sie daher wirklich verpflichtet bis ans Existenzminimum gewürgt zu werden und kann es sein, dass ihre Tochter trotz zumutbarer Möglichkeit zu Hause ausziehen darf und selber beim Sozialamt Leistungen beziehen darf damit sie eine eigene Wohnung hat und sich nicht allen Regeln unterwerfen muss welche wahrscheinlich zu diesem Streit geführt haben?

Gibt es auch dazu Richtlinien oder Entscheide?

Der denkende Mensch ändert seine Meinung. (F.N.)
fisi
Dabei seit: 05.04.2007
Beiträge: 4066
pluto

es gibt bundesgerichtsentscheide. einen, allerdings bald 20-jähirg, hab ich wage in erinnerung:
konstellation wie hier in rursis fall. eltern werden dazu verpflichtet, weiter unterhalt zu bezahlen, und zwar ab dem moment wo ihr einkommen die schwelle des existenzminimum um 20% übersteigt.

also wenn das berechnete existenzminimum der mutter 4'500,- beträgt, wird sie erst unterhaltspflichtig wenn ihr einkommen 5'400,- übersteigt.

ist EIN urteil, andere sagen evtl. was anderes ...

Der Vorteil der Klugheit besteht darin, daß man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.
fraulein
Dabei seit: 26.10.2003
Beiträge: 1583
@thomas
Das betreibungsrechtliche oder soziale Existenzminimum?

Partner, 4 Kinder mit teilweise Schwiegerkindern, aktuell 2 Enkel :-)
Stricken, Lesen und immer wieder an meinem Lieblingsplatz sitzen und den Bäumen zuhören.
fisi
Dabei seit: 05.04.2007
Beiträge: 4066
kann ich dir nicht sagen, müsste das urteil suchen.

Der Vorteil der Klugheit besteht darin, daß man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.
angelface
Dabei seit: 05.11.2005
Beiträge: 411
@pluto
einig bin ich mit dir, dass zwei wohnungen höhere kosten mit sich bringen. nicht einig bin ich mit der these, dass "wohnen zu hause keine mehrkosten" verursacht. zwar ändert sich die miete nicht, doch strom, wasser, telefon etc. und auch lebensmittelkosten verändern sich. wäre dem nicht so, müsste bei der berechnung des existenzminimums kein zuschlag für kinder berücksichtigt werden.

in einer "vorschriftsgemässen" berechnung des existenzminimums wird auch bewertet, ob die wohnung in komfort und grösse angemessen ist. berechnet wird das notwendige, was durchaus bedeuten kann, dass das existenzminimum ab nächstmöglichem auszugstermin tiefer angesetzt wird.

auf die "erbringung des unterhalts in naturalien" können sich die eltern bei einem volljährigen kind - wegen der freien wohnsitzwahl - nicht berufen. zieht die tochter aus, kann sie - solange sie in erstausbildung ist - beide elternteile auf unterhalt verklagen. damit findet eine neuberechnung auf basis des betreibungsrechtlichen existenzminimums statt und die eltern werden entsprechend verpflichtet.

reichen die unterhaltsbeiträge (den eltern bleibt das existenzminimum) nicht aus und können auch keine anderweitigen quellen (stipendien etc.) angezapft werden, kann sich das volljährige kind in erstausbildung an die sozialhilfe wenden. bezieht es dort leistungen, ist es selbst zur rückzahlung verpflichtet, baut also eigene schulden auf.

ein vergleichbarer entscheid wurde vor ca. 4-5 jahren in der ostschweiz gefällt: tochter nach scheidung bei der mutter. vater bezahlt unterhalt. tochter zieht zum vater, mutter bezahlt keinen unterhalt. tochter besucht gymnasium und schliesst mit matura ab (ist keine erstausbildung). tochter beginnt eine lehre und zieht in eine wg. vater bezahlt früheren unterhalt + teuerung; mutter bezahlt nichts. geld reicht nicht, denn der parties gibt es viele. tochter klagt geben beide eltern:
berechnung nach betreibungsrechtlichem existenzminimum für alle drei beteiligten unter einbezug des lehrlingslohns der tochter. vater muss mehr unterhalt zahlen, mutter muss auch zahlen. soweit das urteil.
fortsetzung der geschichte: tochter bricht lehre ab. zahlungen werden eingestellt. ein jahr später: tochter beginn studium an der uni: eltern müssen zahlen. wieder ein jahr später: tochter bricht studium ab...

es war nun mal nicht die beste idee, die grosse freiheit, sprich volljährigkeit, mit 18 einzuführen...
fisi
Dabei seit: 05.04.2007
Beiträge: 4066
http://www.alimente.ch/pdf/Unterhalt-und_Volljaehrigkeit.pdf

Das Bundesgericht hat in finanzieller Hinsicht entschieden, dass bei Unterhaltszahlungen für erwachsene
Kinder den Eltern auf jeden Fall ein Einkommen verbleiben muss, das den Notbedarf -
oder das soziale Existenzminimum - um 20% übersteigt (BGE 118 II 97). Relativiert hat das Bundesgericht
diese Grenze, wenn der Unterhaltsschuldner neben dem volljährigen Kind auch noch
minderjährigen Kindern Alimente schuldet. Ein solcher Schuldner kann die Bezahlung von Alimenten
an das erwachsene Kind nicht mit der Begründung verweigern, dadurch werde in sein um
20% erhöhtes Existenzminimum eingegriffen. Das BGer legitimiert diesen Eingriff mit der gleichzeitigen
Unterhaltspflicht gegenüber den weiteren, unmündigen Kindern, um deren Willen bis auf
das Existenzminimum eingegriffen wird (Entscheid 5C.5/2003 vom 8.5.2003; zusammengefasst in
ZVW 2003, S. 444, Nr. ÜR 59-03).

Der Vorteil der Klugheit besteht darin, daß man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.
angelface
Dabei seit: 05.11.2005
Beiträge: 411
@thomas.fisler
der vollständigkeit halber: im entscheid BGE 118 II 97 die leistung von unterhaltszahlungen an ein erwachsenes kind als zumutbar erklärt, wenn beim dem unterhaltsverpflichteten 20 % mehr als die "um die steuerlast erweiterte notbedarf" verbleibt.
in 5C.5/2003 wird des zu einer richtline erklärt. diese darf insbesondere wenn weitere unterhaltsverpflichtungen gegenüber minderjährigen bestehen, durchaus unterschritten werden. dabei handelt es sich jedoch nicht um eine abschliessende aufzählung der gründe für die unterschreitung.

nun haben zwischenzeitlich gewisse kantone das besteuerungssystem geändert, so dass unterhalszahlungen an volljährige kinder zwar zu leisten sind, jedoch nicht mehr am einkommen abgezogen werden dürfen. umgekehrt erreichen unterhaltsberechtigte erwachsene kinder (unterhalt + neben- oder ausbildungserwerb) steuerbare einkommen.

kommt dazu, dass die quantitive definition des begriffs "notbedarf" nicht ganz unumstritten ist.

wohl deshalb wird bei den gerichten primär auf das betreibungsrechtliche existenzminimum (inkl. Steuern) abgestellt.
smaragd*
Dabei seit: 17.08.2010
Beiträge: 426
Ja, so sind die Gesetze - aber das kann es doch nicht sein...? Ein volljähriges Kind sollte kein Recht auf finanzielle Hilfe für eine eigene Wohnung haben, wenn das Wohnen zu Hause nicht unzumutbar ist. Ich finde das nicht richtig.