Hoi Patti
Ich kann deine Reaktion glaubs gut verstehen. Wenn ich das richtig verstanden habe, hattest du während einiger Zeit eine Art Depression. Für mich sind depressionsähnliche Zustände ein Zeichen für eine gefühlte Machtlosigkeit, die sich dann gegen einen selber richtet. Man hat das Gefühl, sein Leben nicht selbst bestimmen zu können.
Ich hatte, (im Nachhinein gesehen) während Jahren solche dunklen Seelenzustände. Bei mir war es begründet durch die kleinen Kinder und den selbständigen Mann. Ich fühlte mich diesem Leben hilflos ausgeliefert. Nie längere Zeit genug Geld zu haben, vollständig für die Familie zuständig zu sein, weil mein mann voll in seinem Geschäft aufging, hat mich auf Dauer wirklich zermürbt. Das Einzige was mich davon abhielt wegzugehen war, dass es dadurch auch nicht besser geworden wäre finanziell und ich meinen Partner für unersetzbar halte (er passt speziell gut zu mir in Charakter, Visionen, Wertvorstellungen, Zielen usw.).
Irgendwann wurde mir klar, dass ich mein Leben so leben muss, wie ich das für richtig halte. Genauso wie mein Mann seinen Weg gehen und seine Visionen verwirklichen muss um sein Potential zu leben. Und da wir die gleichen Rechte haben, nehme ich mir seit einiger Zeit das Recht, etwas Grösseres für mich zu tun (eine Ausbildung die sehr wahrscheinlich nie lukrativ sein wird). Und das Spannende ist, dass mein Mann mich voll unterstützt. Die ganze Geschichte braucht viel Organisation und Energie. Aber meine Tage sind wieder fröhlich, sind wieder sinnvoll für mich. Ich habe eine Herausforderung und ein eigenes Leben ausserhalb der Familie. Ich kann mich wieder leben. Ich habe Raum für mich alleine, den ich sinnvoll füllen kann. Mit dem was MIR wichtig ist.
In meiner Umgebung stosse ich oft auf Unverständnis. Ich werde gefragt, was denn mein Ziel sei. Für was man die Ausbildung denn brauchen könne. Und ich sage dann jeweils, dass ich das nur für mich tue. Die Leute verstehen nicht, dass ich nicht stattdessen arbeiten gehe um meinen Mann finanziell zu entlasten. Aber ich habe meine eigenen Träume zu verwirklichen. Ich staune wie oft die Männer in der Verwirklichung ihrer Träume unterstützt werden und sobald eine Frau ihren Weg geht, ist sie in den Augen anderer egoistisch. Der Mann hat also das Recht, die Frau aber nicht?
Was mir bei der ganzen Geschichte bewusst wurde, ist, dass ich mir selber am Meisten im Weg stand. Ich musste mir selber erlauben mich und meine Bedürfnisse zu leben. Auch wenn ich als egoistisch angesehen werde. Eigentlich finde ich es gut endlich egoistisch zu sein. Die schlimmste Vorstellung war für mich immer, dass am Ende auf meinem Grabstein steht, dass "sie immer selbstlos für die anderen da war (ausser für sich selbst)“ Schreckliche Vorstellung, oder?!
Denn ich bin überzeugt davon, dass wir für uns selbst auch eine Verantwortung mitbekommen haben. Die Verantwortung uns zu leben, uns weiterzuentwickeln und etwas aus unseren Talenten zu machen. Und natürlich glücklich zu sein. Und was macht glücklich? Familie? Beruf? Berufung? Beziehung? Freundschaft? Oder ist es etwa nur die Verteilung auf alle diese Bereiche, die nicht ein leeres Gefühl hinterlässt und uns strahlen lässt? Ich zumindest leuchte wieder. Und das ist mir die viele Arbeit alleweil wert. Und unserer Beziehung tut das auch sehr gut. Ich mache nicht mehr ihn verantwortlich für meine Misere. Denn ich wähle meinen Weg. Und was die anderen Leute angeht; nur ich kann wissen was ich brauche.
Wenn du nun also zurückblickst und die freudlose dunkle Zeit anschaust, sei dir bewusst, dass es an einem selber liegt sich das Alles zu erlauben. Und dass dein Mann dich vielleicht mehr unterstützen würde als du denkst. Vielleicht siehst du ihn momentan nur als Hindernis auf deinem Weg. Er, der verhinderte, dass du dich lebtest. Aber eigentlich warst vermutlich du es, die es dir nicht erlaubte.
Es scheint einfacher wegzugehen und sich zu verwirklichen ohne jemanden fragen zu müssen. Aber irgendwann wirst du wieder in einer Beziehung leben wollen und dann fängt das Ganze wieder von vorne an. Denn du hast ja noch immer nicht gelernt dich und deine Bedürfnisse auch gegen aussen zu „verteidigen“. Schlussendlich muss man lernen für sich und seine Bedürfnisse einzustehen und sie sich erlauben. Unabhängig davon ob da ein Mann an deiner Seite steht oder nicht.
In diesem Sinn wünsche ich dir eine spannende Zeit und viel Kraft.
constant vigilance (Mad-eye-Moody)