An Eltern von besonderen Kindern, speziell an die mit Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten/Autismus

esprit
Dabei seit: 05.03.2008
Beiträge: 57
Liebe Jeruscha,

ich habe deinen thread erst jetzt gesehen....,und nun auch nicht alle Beiträge gelesen.
Ich kann dir sehr gut nachfühlen, wie du weisst....: Wir waren ja vor etwa 2 Jahren am genau gleichen Punkt. Tatsächlich ist es exakt so, wie du es beschreibst, man bekommt REIN GAR KEINE Unterstützung. Unseren Schulpsychologen bezeichne ich inzwischen als armseligen Stümper. Er hat sich in unserem Fall nicht einmal die Mühe gemacht, mit den zuständigen Fachstellen (deren Adressen ich ihm noch in die Hand gedrückt hatte) Kontakt aufzunehmen, die Heilpädagogin (übrigens auch extrem nach Körperausdünstung riechend, zwinker zu Pippilangstrumpf) spielte die kompetente Fachberaterin mit Null Ahnung in Sachen Autismus...usw.
Wie du dich vielleicht erinnern kannst, nahmen wir zusammen mit der Autismushilfe selber Kontakte zu verschiedenen Sonderschulen auf und suchten DIE Schule für unser Kind. Unsere Tochter besucht nun diese Sonderschule schon bald 2 Jahre. Sie ist intern. Trotzdem sehe ich es nicht als "Heim" oder Fremdplatzierung. Sie selber erklärt, sie besuche ein Internat wie "Hanni und Nanni", was auch absolut zutrifft. In unserem Fall ist es eine Sonderschule, die den Richtlinien des kantonalen Lehrplans folgt und nur Kinder mit Intelligenz im Normbereich aufnimmt, also Kinder mit Verhaltens- und Wahrnehmungsstörungen. Sie haben inzwischen immer mehr Asperger und haben auch eine Spurgruppe innerhalb des Kollegiums gebildet, die sich spezialisiert auf die Bedürfnisse von Asperger-Kindern mittels diverser Fortbildungen. Sie arbeiten eng mit der Autismushilfe zusammen.
Da es eine Sonderschule ist, scheint Geld häufig keine Rolle zu spielen. Wir hatten vor einem Jahr gewünscht, dass ein "Asperger-Experte" von autismus deutsche schweiz den Alltag unserer Tochter beobachten käme und da und dort noch Inputs geben könnte, was verbessert oder verändert werden könnte. Diesem Wunsch wurde nachgekommen.
Das Leitbild der Schule ist: "Wo zuerst auf deine Stärken geschaut wird..." So erleben wir seit zwei Jahren erstmals, dass man uns nicht alle Defizite unseres Kindes aufzählt, sondern von den Ressourcen berichtet und diese fördert.
Was ich dir damit sagen möchte: Sonderschule oder Internat muss keine "Katastrophe" bedeuten. Es gibt durchaus auch in diesen Gebieten gangbare Wege. Voraussetzung dazu denke ich, ist aber, dass sich das Asperger-Kind verbal äussern kann, ihre/seine Bedürfnisse anbringen kann. Unsere Tochter ist natürlich eine "laute" Aspergerin mit sprachlicher Begabung. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Wenn ihr etwas nicht passt, weiss sie das zu äussern. Diesbezüglich ist sie dank ihrer Situation auch viel selbständiger geworden. Sie weiss jetzt , dass sie selber für sich einstehen kann.
Liebe Jeruscha, ich drücke dich aus der Ferne, und hoffe ganz fest, dass sich irgendwo ein "Türchen" öffnet. Auch ich finde, dass ihr das so prima meistert. Du siehst, wir waren schon viel früher am Punkt Null.

Leben ist endlich. Lebe endlich!
Platibus
Dabei seit: 08.10.2005
Beiträge: 239
Das Thema Asperger in der Schule ist nun einmal eine neverending Story. So verschieden wie jedes Kind ist, so unterschiedlich sind die Schulprobleme. Den absoluten Nullpunkt in Sachen Schule hatten wir mit unserer Tochter schon nach einer Woche Kiga. Da wir sehr abgelegen wohnen, gibt es bei uns nebst der Regelschule nur Fremdplatzieren, nichts sonst. Aus diesem Grund habe ich von Anfang an nicht die Tochter, sondern die Lehrpersonen begleitet. Das bedeutete immer wieder, dass ich halt auch mal ein paar tTage im Schulzimmer sass und der Lehrerin eins zu eins übersetzte, was meine Tochter eigentlich meinte. Das traf bei den einen auf heftigen Widerstand, andere, gerade jüngere Lehrerinnen, haben sich hinterher bei mir bedankt und gesagt, dass sie das alles auch für andere Schüler umsetzen könnten.

Da eine andere Schule als die Regelschule nicht eigentlich in Betracht kam, achtete ich mich sehr darauf, dass unser Kind nicht in die Mühlen der psychologischen Betreuer geriet. Mir kam es immer so vor, als ob ein Lehrer immer gleich beim geringsten Problem mit einem Schüler nach Abklärung und Schulpsychologen rief, anstadt sich auf das betreffende Kijnd einzulassen. Ein Schüler hat zu funktionieren, ansonsten wird er abgeschoben, punkt. Wenn diese Hürde mal überwunden ist und die Lehrperson annimmt, was und wie das etwas spezielle Kind tikt, werden die Tiefpunkte immer weniger.

Unsere Tochter besucht nun die fünfte Klasse. Sie hat eine ganz junge Lehrerin frisch ab Semi. Die letzjährige Lehrerin "warnte" sie denn auch mächtig vor unserem Kind. Sie aber lachte nur und meinte, das sei doch spannend, mal eine Aspergerin in der Klasse zu haben. Entsprechend klappt das jetzt auch super, unsere Tochter geht zum ersten mal richtig gerne in die Schule, stöhrt nicht und findet tatsächlich Freunde, die Lehrerin mit eingeschlossen.

Wir sind heute sehr froh, dass wir die Sache so angegangen sind. Aber ich weiss, dass dies ein Glücksfall ist und die Regelschulen für den grössten Teil der Asperger der blanke Horror. Ich weiss als selber Betroffene was es heisst, tagtäglich als Vollidiot abgestempelt die Schulzeit abzusitzen. Eine Fremdplatzierung ist in in den meisten Fällen nicht ein weggeben/abschieben, sondern die Erlösung von vielen schrecklichen Personen und Institutionen. Als Asperger empfindet man die Trennung vom Elternhaus anders. Für viele dieser speziellen Kinder ist es nicht ein Abschieben, sondern eine Erlösung, so hart das für die Eltern auch tönt.