An Mütter/Väter mit AD(H)S Kindern

pina
Dabei seit: 01.09.2008
Beiträge: 245
Hallo Pippistrella

ich weiss auch wie sich das anfühlt. Man will ja eigentlich alles richtig machen, wir wissen ja, wieviel die Kinder eh schon Probleme haben, in der Schule, mit den anderen Kinder, mit dem Lernen überhaupt. Und dann wird man selbst, als Mutter wütend, hat keine Geduld mehr, mag nicht mehr, kann nicht mehr.. Das Herz weiss, wie sehr die Kinder uns brauchen, doch die Kraft hat uns verlassen.
Oh ich kenne das zu gut! Ich erlebe es auch immer wieder. Wenn ich dann im Nachhinein an gewisse Situationen, die eskaliert sind, denke, wird mir immer ganz mulmig und ich sehe mich fast als Monster. Schuldgefühle sind an der Tagesordnung. Nur musste ich mir einfach auch eingestehen, dass ich auch nur ein Mensch bin!
Ich liebe mein Kind wirklich über alles. Aber es gibt einfach Momente, wo ich nicht mehr kann. Dieses ewige alles 100x sagen müssen, diese ewigen Anweisungen für Sachen, die einem Kind in dem Alter eigentlich schon automatisch gehen müssten.. Ich denke manchmal, wie einfach es wäre mit einem Kind, welches nicht ADS hat und ob die anderen Mütter es sich nur annähernd vorstellen können, was es heisst, ein solches Kind zu haben. Aber wie gesagt, ich liebe mein Kind und dann gibt es diese Momente, wo ich nur staune, ob der Fähigkeit meines Kindes, Gefühle zu zeigen. Und wie lieb und mitfühlend er sein kann.

Ich vergesse, ehrlich gesagt, oft, dass mein Kind dieses ADS hat und "behandle" ihn wie ich jedes Kind behandeln würde. Manchmal scheint mir sein Verhalten einfach normal, weil ich es nicht anders kenne. Ich habe ja nur ein Kind. Nur wenn dann andere Kinder bei uns sind, oder ich andere Kinder sehe, dann fällt es mir wieder auf, dass es eben doch anders gehen könnte.

Nun, ich sage mir dann, dass dieses Kind zu mir gehört. Und das es einen Grund hat, dass ich dieses Kind habe. Klar ist, ich mache mir halt immer grosse Sorgen, wenn er in der Schule ist, oder mit der Schule unterwegs ist, ob auch alles gut geht. Bei uns wird dieses ADS eigentlich nicht so thematisiert und auch in der Schule wird er nicht sonderlich behandelt deswegen. Ich weiss nicht, ob das gut ist. Vielleicht ist es ja sogar besser, denn irgendwie möchte ich ihn ja auch nicht in eine Schublade stecken. Andererseits wäre es vielleicht manchmal schon gut, die Leute würden anders auf ihn zugehen.

Wie ich auftanke? Nun.. also ich bin AE. Da trage ich immer die ganze Last alleine, habe aber auch meine Freitage. Ich denke, da tanke ich auf.
magdalena
Dabei seit: 03.01.2009
Beiträge: 581
Ja das die Unwisssenheit und das Unverständnis auch in der eigenen Familie vorkommt haben wir selber erfahren. Sein Vater hat seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn weil er ihm zu anstrengend ist!
pippistrella
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 26.10.2010
Beiträge: 137
@ magdalena
Ah so, zu anstrengend ist er ihm, tja, da fehlen mir die Worte...

Meinen Eltern ist unser Sohn auch zu anstrengend, aber die sind bald 80, da hab ich gewisses Verständnis dafür...
magdalena
Dabei seit: 03.01.2009
Beiträge: 581
Ja bei den Grosseltern habe ich auch Verständnis, aber beim eigenen Vater fehlten mir auch die Worte. Janu, wir versuchen irgendwie damit klar zu kommen auch wenn es mir nicht immer gelingt.
Marienkäfer
Dabei seit: 05.02.2003
Beiträge: 251
@pipistrella
Genau, es sind die alltäglichen Situationen - Zähneputzen, duschen, Pyjama anziehen, aufräumen und Hausaufgaben.
Jetzt bin ich mit ihm dran, dass er den Thek jeweils "richtig" einräumt. D.h., ich kontrolliere täglich das Etui, das Mäppchen mit den Blättern und den Thek, ob alles ordnungsgemäss eingeräumt ist. Zudem verlange ich, dass er das HA-Büchlein sauber führt und täglich alles einträgt. Das klappt jetzt meistens gut. Ich möchte, dass er das automatisiert, weil ich weiss, dass ihm dadurch anderes dann leichter fällt. Noch vor ein paar Wochen war alles Chrut und Rüebe durcheinander. Die Blätter sahen zum Heulen aus. Dinge, die er in der Schule vergessen hat (1-2x wöchentlich) muss er konsequent holen. Gewisse Dinge schreibe ich ihm ins HA-Büchlein zur Erinnerung. Irgendwann möchte ich, dass er das selber reinschreibt.

Ich habe mir jetzt vorgenommen, jede Woche etwas dazu zu nehmen. Z.b. die Zahnpastatube, die er nie verschliesst nach dem Zähneputzen. Schon 1000x gesagt und es funktioniert immer noch nicht. Ich hoffe, mit der "Step-by-Step"-Methode fruchtet das mehr, sodass das wirklich eher mal "automatiert" wird.

So kann ich auch eher akzeptieren, wenn anderes halt immer noch nicht klappt.

@Pina
Ich dachte auch lange, dass es normal ist. Vieles ist ja auch normal und vieles ist sogar total lässig. Viele Eigenschaften meines Sohnes möchte ich nicht missen.
Dazu kam bei mir, dass ich stets Kinder bei uns habe, die sich später als ADS-Kinder herausstellten oder viele dieser Symptome aufweisen. Ich ziehe diese Kinder an, weil ich auch ein grosses Herz für sie habe. Aber wenn man ständig damit konfrontiert wird, ist es einfach oft to much.
pippistrella
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 26.10.2010
Beiträge: 137
@ Muffwuff
Deine Beschreibungen i.S. Schule, Hausaufgaben, Ordung, vergessen, etc. könnten von mir sein.
Ich machte es bis vor kurzem genauso wie du, wollte ihm dabei helfen zu lernen sich besser zu organisieren, indem ich ihm zeigte, wie es einfacher geht.
Seit einiger Zeit lehnt er aber meine Hilfe kategorisch ab, wurstelt wieder alleine. Resultat: Schulmaterial fehlt, zu Hause wie in der Schule, HA gehen vergessen weil nicht eingeschrieben, Kaos im Schulthek, er findet nichts mehr.
Gegegen was er sich seit jeher wehement wehrt, ist Hilfe bei den HA, dagegen kam und komme ich nicht an. Auch weigert er sich, auf Prüfungen zu lernen. Seine schulischen Leistungen sind absolut im Keller.Was ich lernen musste ist, mich in dieser Hinsicht abzugrenzen. Schule ist im Moment bei uns absolut nur seins, mit allen Konsequenzen. Manchmal schwatzt mir fast der A...., manchmal steck ich's locker weg.
pippistrella
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 26.10.2010
Beiträge: 137
Ah ja, noch zwei Fragen:
wie alt sind eure Kinder und seid ihr Mitglied bei der Elpos?
EarlyCampell
Dabei seit: 24.04.2005
Beiträge: 209
Meine sind 17 (ADS), 15 (ADS) und 13 (kein ADS).
Auch mir geht es immer mal wieder so wie du beschreibst. Gerade vor 4 Wochen wollte ich das Handtuch werfen. Und auch ich hadere manchmal damit, dass es so ist, wie es ist. Bloss das hilft mir nicht weiter, in dieser Opferhaltung bleibe ich nur im Tief gefangen. Besser ist es, ich ergreiffe die Initiative und versuche mir Entlastung zu organisieren.
Da ist mal sicher Götti oder Grossvater einspannen für Wochenend-Betreuung. Schade geht das bei dir nicht. Dann ein Telefon an die Elpos-Beratungsstelle, das auch oft sehr entlastend ist. Kontakt mit Lehrerin aufnehmen und auch sie einspannen, um Hilfe bitten. Und als die Kinder spontan einen Tagesausflug machten mit der Schule, bin ich spontan ins Hamam gegangen, obwohl zu Hause noch Berge zum erledigen gewesen wären.
Ich denke sehr wichtig ist es, dass man sich ein Bezugsnetz aufbaut wo man mal Last abgeben kann. Seis mit klönen, seis mal mit einem Mittagstisch oder eben einem Wochenende, dass einem Pause verschafft. Oft ist das nicht einfach so gegeben und man braucht zusätzlich Energie um sich dieses Netz aufzubauen. Ich hab lange gezögert damit. Bin jemand, der alles lieber alleine meistern möchte. Aber wenn mal der erste Schritt gemacht ist, ist es sehr entlastend.
Ok. Manchmal fällt man auch auf die Nase. Wenn es dann heisst, euer Kind ist nur so, weil ihr es zu dem gemacht habt, und so weiter. Die ganze Palette der Vorwürfe also. Nur komisch, dass von 3 Kindern nur 1 so grosse Probleme hat...
Ich hab auch sehr grosses Verständnis für die Situation meines Jugendlichen. Ich weiss wieso er manchmal nicht anders reagieren kann, als er es tut. Ich sehe seine Not, seine Geschichte, seinen Kampf. Und trotzdem ist es manchmal so anstrengend, dass ich ihn auf den Mond schiessen könnte.
In solchen Momenten muss ich grausam aufpassen, dass wir nicht in einen Machtkampf geraten. Wenn du mir, so ich dir. Und auch aufpassen muss ich, dass ich nicht nur noch das Negative an ihm sehe in diesen Momenten. Denn das wird ihm nicht gerecht. Er hat ja auch sehr viele gute Seiten, auf die man sich gerade in schlechten Momenten, mehr fokussieren sollte. Tja, das gelingt mir nicht immer - aber wenn es mir gelingt, hilft es.
Ich hab auch mal an einem Kurs gelernt, man solle in guten Zeiten aufschreiben, was man alles schon erreicht hat, was das Kind gut macht, alles Positive und sei es noch so klein. Und diesen Brief dann in schlechteren Zeiten hervorholen.
Auf jeden Fall, wünsch ich dir viel Kraft.
Marienkäfer
Dabei seit: 05.02.2003
Beiträge: 251
Was mich am meisten angurkt, ist, dass ich so oft die "böse" Mutter sein muss. Aber ich weiss, ich muss in gewissen Dingen konsequent sein. "Normale" Argumente, warum jetzt Jacken aufgehängt, Zähne geputzt, Hausaufgaben gemacht werden müssen, fruchten vielfach nicht. Ich beginne dann mit "drohen", sprich Konsequenzen aufzuzeigen (selber ins Training mit Velo in der Kälte fahren, 1-5 Tage Bildschirmverbot usw.), und das geht mir so gegen den Strich. Es ginge ja noch, wenn's alle paar Wochen mal so Phase gäbe. Aber es ist ja ständig. Ja gut, momentan haben wir halt auch wieder eine etwas happigere Phasen, in denen ich wieder vermehrt auch über die Möglichkeit von Ritalin nachdenke. Dann gibt es wieder Phasen, in denen ich froh bin, dass wir die letzte Phase dann doch ohne überbrücken konnten.

Ich kann die Stunden, die wir schon mit unserem Sohn geredet und gemeinsame Abmachungen getroffen haben, gar nicht zusammen zählen. Am Anfang läufts meist wieder besser, dann reizt er diese Abmachungen wieder total aus.

Ich merke einfach, dass ich langsam "durchgescheuert" bin. Und das mit nur einem Kind... Da kann dann und wann das Gefühl aufkommen: Ein Kind und das bring ich nicht mal richtig auf die Reiheicon_frown.gif
paul&shark
Dabei seit: 21.07.2008
Beiträge: 227
ja, pippistrella, dafür bin ich enorm dankbar, ansonsten würde ich nicht überleben können. Eine Essenz ist für mich auch gewesen, lernen zu können, was wir alles aufgrund des Adhs erleben können- und nicht, was wir deswegen nicht können. So waren mein Mann und ich engagiert im Berufsleben, sind beide viel geschäftlich gereist, Tophotels, viele Empfänge,... Seit den Kindern, dem dazugehörenden adhs, meinem Krebs hat sich alles verändert. Ich fühle mich wohl auf Campingplätzen oder Jugendherbergen im Norden, in der Natur, in Kontakt mit wenigen Menschen. Zeit hat an Wichtigkeit gewonnen und Ruhe gibt mir "Ruhe". Geschäftsanlasse meide ich, die vermisse ich gar nicht, und ich spiele total gern mit Kindern auch an Einladungen. Dadurch, dass ich immer auf Hochtouren laufe und selten mehr als 6 Stunden schlafe, habe ich auch spätabends eher Zeit den kommenden Tag vorzuorganisieren. Meist zusammen mit meinem Mann. Ohne ihn ginge das alles auch nicht. Es ist schlussendlich nicht viel, was wirklich wichtig ist. Für meine Kinder wünsche ich mir, dass sie einmal sagen können- hej, bei uns zuhause wars lustig und bunt. Und nicht- he, meine Mutter sieht gepflegt aus, der Haushalt ist top und wir waren exclusiv in den Ferien. Das ist den Kids (noch) egal.
Zum fragen- ich habe jeweils am Elternabend in der Schule und Kiga gesagt, wie es uns eben geht, und um Hilfe gebeten- und jedesmal hats geklappt bis jetzt...