Artikel NZZ von letzter Woche

memi
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 18.01.2005
Beiträge: 41
Hallo zusammen!
Wer hat letzte Woche den Artikel in der NZZ über Integration behinderter Kinder in der Schule gelesen? Als betroffene Mutter musste ich weinen....traurig, dass es rückwärts anstatt vorwärts geht.... was denkt Ihr darüber?
http://www.nzz.ch/nachrichten/startseite/integrative_schule_und_behinderung_1.10148362.html
queenie
Dabei seit: 21.05.2002
Beiträge: 632
wie meinst Du das, es geht rückwärts?
Ich war von der integrativen Schulform nie überzeugt, und dieser Artikel bestätigt meinen Verdacht: es funktioniert leider nicht.
Dieser Tatsache sollte man endlich in die Augen schauen und vorwärts machen mit neuen, anderen Wegen, Kindern mit Behinderungen im Leben zu begleiten. Alles andere ist Zwängerei und tut niemandem gut.
dio
Dabei seit: 11.01.2003
Beiträge: 593
Queenie

Den besonderen Kindern tut es schon gut. Was mich aber schon seit langem stört ist das man die bedürfnisse der "nicht besonderen" Kinder überhaupt nicht mehr berücksichtigt.
Oder wenn nur in ungenügendem Masse. Und sagt man das offen erntet man oft nur Unverständnis. Was ich mehr als nur schräg finde.

kiss my ass
Tri21Mami
Dabei seit: 06.03.2008
Beiträge: 120
"es funktioniert leider nicht" @ queenie. So pauschal lässt es sich dann doch nicht verallgemeinern. Und mit Zwängerei hat es nun ganz und gar nichts auf sich.

Es ist ein ständiger Prozess und man muss immer wieder genau hinschauen. Integration als Sparmassnahme kann gar nicht funktionieren. Da werden die Bedürfnisse des integrierten Kindes nämlich nicht mehr berücksichtig. In den letzten Jahren sind teils starre Konzepte entstanden, die nicht allen Kindern gerecht werden.
Die Bildung soll und darf etwas Kosten - für alle Kinder.

Und ich sehe 1:1 wie mein Kind mit besonderen Bedürfnissen von "der Norm" viel profitieren kann. Aber auch die anderen Kindern lernen den Umgang mit dem Anderssein. Ohne den grossen Einsatz der Lehrpersonen wäre dies nie möglich. Deshalb; kein Sparprogramm in der Bildung, sonder genug begleitet Stunden und Unterstützung, für das Kind mit besonderen Bedürfnisse und für die Lehrperson. Es kommt allen zu gute.

www.unserbaby.ch/laurin04
queenie
Dabei seit: 21.05.2002
Beiträge: 632
@Tri21Mami: da bin ich anderer Meinung. Damit die Integration überhaupt Chancen hätte, brächte es viel, viel, viel mehr finanzielle Unterstützung. Und die ist schlicht und einfach nicht vorhanden (oder möchte hier jemand dafür massiv mehr Steuern zahlen?). So traurig es ist, aber wenn man realistisch ist, muss man einfach sagen, SO geht es nicht.
Die Bedürfnisse von integrierten Kindern in Ehren, aber auch durchschnittliche Kinder haben Bedürfnisse, welche ganz klar vernachlässigt werden, wenn Lehrer(innen) sich übermässig auf die Integration von sog. Benachteiligten konzentrieren. Und meiner Meinung nach sind in den letzten Jahren die Konzepte nicht erstarrt, sondern sehr verwischt worden, so dass sich mach normal begabtes Kind kaum mehr zurrecht findet.
Und wie kommst Du dazu, zu behaupten, dass die integrative Schule allen zugute kommt. Stimmt das wirklich? Wer kann das denn belegen? Ist das nicht eher Wunschdenken? Die im NZZ-Artikel genannten Auswertungen behaupten das Gegenteil?
boeselkraut
Dabei seit: 24.03.2009
Beiträge: 342
mein ältester (heute fast 16, hat das 18p- syndrom und ist leicht geistig behindert) besuchte zwei jahre den regelkindergarten. das ging sehr gut und hat ihm sehr viel zu seiner selbständigkeit beigetragen. dazu wurde er bis zum 10. lebensjahr zwei volle tage mit seinen 4 andern brüdern in einer kita betreut. das war super, und zwar, weil es da nicht um leistung und wissen, sondern um 'echte' integration in allen alltagsdingen geht. die kinder haben ganz 'normal' mit ihm gespielt - es war halt der arvo, der ist so wie er ist. er hat vor allem mit den kleineren kindern gespielt, was allen zu gute kam. die schule hat er - auch wieder so toll! - in einer kleinklasse in einer 'normalen' prim besucht. so kam er in der pause immer wieder in kontakt mit allen möglichen kindern. in dieser klasse wurde er optimal gefördert (6 kinder auf 2 lehrerinnen!), lernten 1x/woche kochen, machten fahrrad-ausflüge ect. heute käme er ev. in einer regelklasse, wo er total überfordert gewesen wäre. da nützt betreuung nichts, wenn die geistigen kräfte nicht reichen. und vielleicht wäre er auch ausgelacht worden..
ich unterschreibe den nzz-artikel vorbehaltlos!
in den klassen meiner drei jüngsten hat es auch je ein integriertes kind, aber die werden eher etwas ausgegrenzt.
Tri21Mami
Dabei seit: 06.03.2008
Beiträge: 120
die Ausgelachten und Ausgegrenzten werden separiert - die Auslachenden und Ausgrenzenden bleiben und haben nichts dazugelernt... erstaunlich.

queenie@damit meinte ich: eine Integration darf gleich viel kosten wie eine Schulbildung an einer HPS und nicht als (verstecktes) Sparprogramm daher kommen. Massiv mehr Steuern bezahlen? Würdest du diese Rechnung mal offen legen, wie kommst du darauf?
Ich befasse mich seit einiger Zeit mit Integration (Gesellschaftlich und Schulische), tausche mich mit betroffenen Familien (sehe die ersten Schulabgänger die nun integriert eine Berufslehre absolvieren) und Fachpersonen aus. Lese so ziemlich alles was mir in die Hände kommt, schaue über die Landesgrenze... usw. Habe selber ein Kind welches integriert ist.
Niemand hat behauptet, das Integration einfach problemlos zu bewerkstelligen ist. Integration ist für mich eine Lebenseinstellung. Jeder ist ein Teil dieser Gesellschaft. Ich bin der Meinung jeder hätte einen Platz mitten drin - wir müssten nur die Strukturen schaffen und akzeptieren dass nicht alle die gleichen "Leistungen" erbringen können. Die schulische Integration ist kein Spaziergang, sondern eine anstrengende Hochalpine Wanderung.

Das Kinder in einer Klasse mit einem integrierten Kind zu kurz kommen, ist übrigens das klassische Vorurteil und x-fach widerlegt.

www.unserbaby.ch/laurin04
Smile79
Dabei seit: 07.04.2009
Beiträge: 2397
alle für einen und einen für alle?

es ist nicht die gute idee, die den erfolg bringt - es ist die umsetzung.

ich bin überzeugt, dass man eine bund durchmischte klasse durch die schulzeit führen kann - doch nicht mit den heutigen voraussetzungen.

gruss
dude
Dabei seit: 20.05.2003
Beiträge: 1275
doch ich finde auch, der Artikle bringts auf den Punkt. Schliesse mich queenie an.

You can judge the character of a person by the way they treat those who can do nothing for them
Tri21Mami
Dabei seit: 06.03.2008
Beiträge: 120
Ich weiss nicht, wie sehr ihr euch wirklich mit diesem Thema auseinandergesetzt habt? Kennt ihr die Konzepte und die Umsetzung? Oder nur vom hören sagen? Ihr wollt die schulische Integration einfach schwuppsdiewupps sofort beenden? Fragt ihr mal die Eltern betroffener integrierter Schüler? Ihr wollt den Kindern mit einer Behinderung per sofort die Möglichkeit einer schulischen Integration verwehren? Und somit auch die berufliche Integration "rauskippen"?
Genau so werden uns (Eltern, Lehrpersonen, Fachbegleitung, Heilpädagogen), die mit viel Engagement eine Integration begleiten, Steine in den Weg gelegt. Wir, unser Kind soll nicht mal mehr die Wahl haben, sondern gehört wieder separiert?

Dabei glaube ich, und sehe es, dass die schulische Integration auf einem ganz guten Weg ist, auch wenn es noch sehr viel umzusetzen gibt. Die Erfahrungen bisheriger Integrationsprojekte belegen: Kinder mit einer Behinderung lernen in integrativen Klassen sehr viel von den anderen Kindern; durch Beobachten, Nachahmen, dabei sein. Und an Schulen wird doch nicht nur Wissen vermittelt, es werden auch Haltungen, Einstellungen, Werte erworben. Soziales Lernen gehört ebenso dazu. Dieses lässt sich nur durch Vorleben und Erleben vermitteln. Nur so erwerben Kinder die sozialen Kompetenzen, die im Erwachsenenalter so wichtig werden. Wann und wo sonst könnten sie es besser lernen?

www.unserbaby.ch/laurin04