Bei meinem Sohn wurde das vor Jahren festgestellt; Ursache unklar - aber vermutlich was seine Frühgeburtlichkeit daran schuld: Die letzten beiden Monate (die ihm fehlten) sind u.a. dazu da, ein Gefühl für seinen Körper zu bekommen, sich mit der richtig dosierten Kraft abzustossen (von der Bauchinnenwand) etc.
Er wurde von der Kinderärztin zur Ergotherapie geschickt; und sein Defizit wurde von der IV als Geburtsgebrechen anerkannt.
Mein Sohn war (und ist) eher der feine und daher hat er nicht so seine Grenzen gesucht, sondern war eher der abwartende. Ich kann mich noch daran erinnert, dass die Kindergärtnerin sagte, 95% der Zeit sitzt oder steht er irgendwo und schaut einfach zu.
Velofahren hat er eine Woche vor Schulbeginn gelernt; als er in der 4. Klasse noch nicht Schwimmen konnte, musste er in den Förderunterricht (das ist hier obligatorisch). Er hat in seinem Leben noch nie eine wirklichen Purzelbaum gemacht. Alle Tätigkeiten, Sportarten, bei denen er nicht mit beiden Beinen auf dem Boden steht, oder sogar Balance halten muss, sind ihm ein Graus. (z.B. Geräteturnen, Bodenturnen in der Schule).
Weil er mit der Schnürlischrift so Mühe hatte, hat ihm die Lehrerin erlaubt, er solle so schreiben, wie er es am besten kann - einige Jahre später würden eh alle so schreiben, wie sie wollen oder den PC nehmen (ich könnte sie heute noch dafür küssen).
Er ist mittlerweile 15, seine "Schreibe" ist überhaupt gar nicht mehr auffällig (aus obengenannten Gründen). Er ist zwar sehr sportlich, was die Ausdauer betrifft und hat auch schon recht erfolgreich an Läufen mitgemacht und im Fussball- Volleyball- Basketballspielen ist er wirklich gut. Dafür wird er wohl nie ein Rad schlagen oder Rollerblades fahren, Skate- oder Snowboarden. Aber es geht ihm auch ohne gut.
Betreffend IV-Anerkennung: Obwohl die IV schon damals recht streng war, wurde es anerkannt, weil die Kinderärztin nach den sehr ausführlichen Tests schrieb, "der Unterschied zwischen seiner motorischen Unfähigkeit und der ausserordentlich hohen Intelligenz ist so ausgeprägt, dass eine Therapie dringend notwendig ist". Sollte wohl so etwa ähnliches heissen wie, sein Kopf ist seinem Körper um Jahre voraus und die Therapie soll ihm helfen, mit diesem Unterschied umzugehen.
Von der Ergotherapeutin habe ich sehr viele praktische Tipps bekommen, wie ich ihm im Alltag kleine Übungen einbauen kann. Ich bin mit ihm (auf eigene Kosten) zum heilpädagischen Reiten gegangen.
Vor einem Jahr (nachdem irgendein Parlament beschlossen hatte, die IV müsse nun wirlich ganz dringend sparen), musste er plötzlich zum ersten Mal bei einem amtlich bestellen IV-Gutachter antraben. Den hat sich überhaupt nicht mit der Vorgeschichte befasst und schrieb dann (nach 12 Minuten Untersuchung!) hinterher ein Gutachten, dass das überhaupt kein Geburtsgebrechen sei, die IV- Anerkennung rückgängig gemacht wird, und allenfalls vor 10 Jahren eine minimale motorische Einschränkung bestanden hätte, die sich selbst wieder ausgewachsen habe.
Ich war (und bin eigentlich immer noch) sprachlos. Da wird der Kleine unzählige Stunden untersucht (von zwei Kinderärzten), geht drei Jahre lang in Ergotherapie, etc.; hat unbestritten motorische Probleme und so ein Arzt kann nach 12 Minuten und ohne Lesen der dicken KG sagen, was er vor 11 Jahren für ein Problem hatte...... Ich bin immer noch kurz dafür, diesen Wunderdoktor für den medizinischen Nobelpreis vorzuschlagen.
Wenn du Fragen hast, dann stell sie mir.