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Blogbeitrag von Ümit Yoker am 2. Oktober 2015
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Wie ältere Portugiesinnen die Stimmen in meinem Kopf zum Schweigen brachten.
Es sind Falten, nein Furchen, wie ich sie noch nie gesehen habe. Das Leben hat sich regelrecht eingegraben in das Gesicht dieser Frau. Sie lächelt meinem Kleinen zu und streckt ihm einen Finger hin, er umfasst ihn mit seinem Händchen und lächelt zurück. Die Frau muss über neunzig sein. Als unser Bus kommt, stehen wir gleichzeitig von der kleinen Bank auf und ich mache einen Schritt zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen. Sie schüttelt freundlich den Kopf, fasst mich sanft, aber bestimmt am Ellbogen und bugsiert mich vor sich zum Eingang hin. Ich blicke den Busfahrer entschuldigend an, damit er mich nicht für einen rücksichtslosen Menschen hält, der sich vor betagten Frauen in den Bus drängt.
So geht das jeden Tag. Kaum tauche ich mit umgeschnallten Kleinkind in meinem Quartier auf, steht augenblicklich ein Supportteam in Form eines Dutzends älterer Damen zur Stelle. Manche von ihnen geben im Bus gleich den eigenen Sitz frei, andere fordern in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, die anderen Fahrgäste auf, ebendies zu tun. Im Supermarkt scheuchen sie mich an der Prioritätenkasse nach vorne, obwohl sie ja ebenfalls zu denen gehören, die hier vorgelassen werden sollten. Nur sehen sie das vermutlich nicht so. Es sind Frauen, die mitten im Leben stehen, die am Nachmittag noch kurz mit ihren Bekannten einen Espresso trinken, bevor sie die Kinder ihrer Kinder im Hort abholen und das Abendessen für alle zubereiten. Ich bin jeden Tag von neuem beeindruckt.
Und so setze ich mich im Bus gerührt auf den mir angebotenen Platz und packe im Supermarkt ein wenig beschämt vor allen anderen meine Bananen, Joghurts und Windeln aufs Förderband, derweil die Damen mit meinem Buben scherzen und sich erkundigen, ob er wohl Hunger habe. Und während sie in ihrer Tasche schon nach einem Guetzli kramen, merke ich auf einmal, dass das Murmeln aufgehört hat in meinem Kopf, diese Stimmen, die mich in Zürich, mal leiser, mal lauter, stets begleitet hatten, wenn ich mit meinen Kindern in der Stadt unterwegs war.
«MussdassjetztwirklichseindassderKleinehierimTramanderStangeherumturnt. UnddabeisoeinenLärmmacht. SokannjakeinMenschZeitunglesen. UnddabeistehtimBlickamAbendheutemalwiederetwasganzInteressantes. KindergehörendochnunwirklichnichtineinRestaurant. UndjetztpacktdieMutterauchnochdieBrustausgahtseigentlichna. WirsindhierschliesslichamEssen. NichteinmalimUtoquaihatmanseineRuhevordenBälgern. KönnendienichtinsAllenmoos.EsgibtdochgenügendPlätzefürdieGörenes. Mussjanichtgeradehierseingopferteli.»
Ich höre nochmals hin. Nein, tatsächlich. Die Stimmen sind weg.
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Du kannst den Blog auch auf der «wir eltern»-Website lesen unter: http://www.wireltern.ch/artikel/blog-nach-ihnen
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Wie ältere Portugiesinnen die Stimmen in meinem Kopf zum Schweigen brachten.
Es sind Falten, nein Furchen, wie ich sie noch nie gesehen habe. Das Leben hat sich regelrecht eingegraben in das Gesicht dieser Frau. Sie lächelt meinem Kleinen zu und streckt ihm einen Finger hin, er umfasst ihn mit seinem Händchen und lächelt zurück. Die Frau muss über neunzig sein. Als unser Bus kommt, stehen wir gleichzeitig von der kleinen Bank auf und ich mache einen Schritt zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen. Sie schüttelt freundlich den Kopf, fasst mich sanft, aber bestimmt am Ellbogen und bugsiert mich vor sich zum Eingang hin. Ich blicke den Busfahrer entschuldigend an, damit er mich nicht für einen rücksichtslosen Menschen hält, der sich vor betagten Frauen in den Bus drängt.
So geht das jeden Tag. Kaum tauche ich mit umgeschnallten Kleinkind in meinem Quartier auf, steht augenblicklich ein Supportteam in Form eines Dutzends älterer Damen zur Stelle. Manche von ihnen geben im Bus gleich den eigenen Sitz frei, andere fordern in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, die anderen Fahrgäste auf, ebendies zu tun. Im Supermarkt scheuchen sie mich an der Prioritätenkasse nach vorne, obwohl sie ja ebenfalls zu denen gehören, die hier vorgelassen werden sollten. Nur sehen sie das vermutlich nicht so. Es sind Frauen, die mitten im Leben stehen, die am Nachmittag noch kurz mit ihren Bekannten einen Espresso trinken, bevor sie die Kinder ihrer Kinder im Hort abholen und das Abendessen für alle zubereiten. Ich bin jeden Tag von neuem beeindruckt.
Und so setze ich mich im Bus gerührt auf den mir angebotenen Platz und packe im Supermarkt ein wenig beschämt vor allen anderen meine Bananen, Joghurts und Windeln aufs Förderband, derweil die Damen mit meinem Buben scherzen und sich erkundigen, ob er wohl Hunger habe. Und während sie in ihrer Tasche schon nach einem Guetzli kramen, merke ich auf einmal, dass das Murmeln aufgehört hat in meinem Kopf, diese Stimmen, die mich in Zürich, mal leiser, mal lauter, stets begleitet hatten, wenn ich mit meinen Kindern in der Stadt unterwegs war.
«MussdassjetztwirklichseindassderKleinehierimTramanderStangeherumturnt. UnddabeisoeinenLärmmacht. SokannjakeinMenschZeitunglesen. UnddabeistehtimBlickamAbendheutemalwiederetwasganzInteressantes. KindergehörendochnunwirklichnichtineinRestaurant. UndjetztpacktdieMutterauchnochdieBrustausgahtseigentlichna. WirsindhierschliesslichamEssen. NichteinmalimUtoquaihatmanseineRuhevordenBälgern. KönnendienichtinsAllenmoos.EsgibtdochgenügendPlätzefürdieGörenes. Mussjanichtgeradehierseingopferteli.»
Ich höre nochmals hin. Nein, tatsächlich. Die Stimmen sind weg.
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