Stoppt die kleinen Egomanen!

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Blogbeitrag von Reto Hunziker am 1. Oktober 2015
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Dass Kinder nur an sich denken, muss man ihnen austreiben, richtig?

Wenn ich eine Ungerechtigkeit wittere, rege ich mich schnell über Petitessen auf. Zum Beispiel: Ich koche im Schweisse meines Angesichts – wenn man bedenkt, dass ich kein talentierter Koch bin, es aber sehr genau nehme, mich leicht stressen lasse, kein Multitasking beherrsche, aber doch noch die Kleine im Auge behalten muss, ist das eine anstrengende Sache – und der Junior meint, er könne schon anfangen zu essen, bevor ich am Tisch sitze. Sicher nicht! Oder er (höchstens 30 Kilo) könne Salat und Beilage verschmähen, aber mehr Würstchen haben als ich (höchstens 80 Kilo). Auf keinen Fall! Oder er findet, es sei nötig, uns Erwachsene, wie wir die Woche planen und uns deshalb absprechen müssen, mit der Beschreibung eines Filmes zu unterbrechen, den er noch gar nicht gesehen hat. No way!

Müssen Kinder so penetrant egozentrisch sein? Vermutlich ja. Ist das ebenso gravierend wie es nervtötend ist? Vermutlich nein. Ich spiele mal etwas Taschenpsychologe und behaupte, diese Phase, in der man sich für das Non plus Ultra hält, ist notwendig. Sie ist logisch, weil wir ja nicht zwingend davon ausgehen können, dass alle anderen um uns herum ebenfalls denken können (ich bin noch heute nicht ganz überzeugt davon). Sie ist sinnvoll, weil wir uns mit uns selbst beschäftigen (und da wir uns selbst am nächsten sind, ist das auch naheliegend). Und sie ist lehrreich, solange wir früher oder später merken, dass der Ego-Lifestyle in einem sozialen Gefüge nicht der richtige Weg ist.

Ich weiss, dass ich selbst nicht immer so selbstlos war. Vor Jahren erzählte mir eine Bekannte, die an derselben Strasse aufgewachsen war wie ich, die ich aber seit Langem nicht mehr gesehen hatte, eine Anekdote über mich. Es sei das Einzige von früher, das mit mir zusammenhänge, an das sie sich erinnern könne. Nämlich wie ich einmal rauskam zum Spielen mit einer Tafel Schokolade in der Hand und wie sie und alle anderen Kinder mich fragten, ob sie auch etwas von der Schokolade abhaben könnten. «Nein», soll ich darauf gesagt und die ganze Tafel alleine aufgegessen haben. Das war die prägende Erinnerung, die sie an mich hatte. Wow. Könnte ich mit meinem damaligen Ich sprechen, würde ich es schelten. Andererseits ist sogar er... bin sogar ich ganz altruistisch herausgekommen.

Was denkt ihr, müssen wir das egoistische Getue unserer Kinder tadeln? Oder kommt alles von alleine ins Lot?
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