Ich halte es für problematisch, Ausdrücke aus dem Konsens herauszunehmen und diese isoliert zu betrachten:
Im Vortrag, auf welchen Thomas Fisler verweist, ist von einer „angemessenen Ausbildung“ die Rede. „Es soll ihm [dem Kind] erlaubt werden, im Rahmen seiner Bedürfnisse, Fähigkeiten und Neigungen seinen Lebensunterhalt zu verdienen und wirtschaftlich selbständig zu werden.“ Und weiter: „Eine Zweitausbildung ist höchstens dort denkbar, wo der Beruf der Erstausbildung – z.B. aus gesundheitlichen oder aus Gründen des Arbeitsmarktes nicht(mehr) ausgeübt werden kann.“
Der Autor bezieht sich in seinem Vortrag ausdrücklich auf den Mündigenunterhalt, also der UnterHALTSverpflichtung zwischen Mündigkeit (vollendetes 18. Altersjahr) und Erstausbildungsabschluss. Dabei handelt es sich um Minimalansprüche und mit den Fähigkeiten entsprechend ist keineswegs eine Maximalausbildung zu deren Ausschöpfung gemeint.
Wie früher erwähnt können sich Eltern sowohl stillschweigend wie auch auf Basis einer Vereinbarung zu weiterführenden UnterSTÜTZUNGEN verpflichten. In einer solchen Vereinbarung könnte z.B. eine Anrechunung an späteres Erbe bereits festgelegt sein. Begleiten Eltern ihr Kind z.B. durch eine Gymnasialausbildung, welche mit Matura endet, so ist anzunehmen, dass ihnen von vornherein klar ist, dass ein Studium folgen wird. Sie gehen damit eine UnterSTÜTZUNGSpflicht bis zum Studiumsabschluss ein.
Unterstützen die Eltern z.B. eine Lehre mit Berufsmatura und erfolgt dies bewusst mit der Absicht, dieser eine Weiterbildung folgen zu lassen, kann die Situation, dass sich die Eltern in eine UnterSTÜTZUNGSpflicht begeben haben, eher zutreffen.
Auf dieser Basis können Eltern zur UnterSTÜTZUNG verpflichtet werden und können diese auch nicht ohne wirklich triftigen Grund vorzeitig einstellen.
Anders sieht es wiederum aus, wenn der Nachwuchs während oder unmittelbar nach Abschluss einer Lehre beschliesst, nun doch noch die Berufsmatura nachzuholen und eine höhere Ausbildung zu machen. Dann war der Weg für die Eltern vorab nicht ein-schätzbar, womit es für den Nachwuchs erheblich schwieriger werden dürfte, bei den Eltern UnterSTÜTZUNG durchsetzen zu können.
Nicht ganz unrelevant für betroffene Eltern ist in der ganzen Sache dann auch deren Zivilstand: Bei verheirateten, zusammenlebenden Eltern stellt sich die Frage nach der UnterHALTSpflicht gar nicht. Dort ist es in aller Regel eine Frage einer allfälligen UnterSTÜTZUNGSpflicht nach Volljährigkeit des Nachwuchses.
Etwas anders bei geschiedenen Eltern: In Scheidungskonventionen findet sich noch heute oft beim Kinderunterhalt die Formulierung „bis zum Abschluss der Erstausbildung bzw. maximal bis zum vollendeten 25. Altersjahr“, wobei sich dies auf die vom nicht obhutsberechtigten Elternteil zu leistenden Zahlungen bezieht. Damit wird dort der Unmündigenunterhalt in den Mündigenunterhalt verlängert. Ergibt sich hier die Situation, dass sich die Eltern vorab formlos oder offiziell in eine UnterSTÜTZUNGSpflicht begeben haben, so trifft diese beide Elternteile nach ihrer Leistungsfähigkeit. Beschliesst der Nachwuchs also z.B. auszuziehen, kommen grundsätzlich beide Elternteile im Rahmen der jeweiligen Leistungsfähigkeit in den „Genuss“ Geld schicken zu dürfen.
Im Schlusssatz hat Thomas Fisler Recht: In einer konkreten Auseinandersetzung zu Unterstützungspflicht findet eine individuelle Beurteilung der Situation und der dazugehörenden Geschichte statt.