ADS im Jugend- und Erwachsenenalter

avocado
Dabei seit: 09.03.2005
Beiträge: 92
Im Verlaufe der sehr umfassenden Diagnosestellung bei meiner Tochter, ist mir natürlich auch vieles aus meiner Kindheit hochgekommen. Ja, ich trage AD(H)S wohl auch mit mir rum. Dass es nie zu einer Diagnose oder einer Behandlung kam, lag vielleicht an der Ausprägung, vermutlich aber auch an verschiedenen schützenden Faktoren:
- Aufwachsen fast nur mit Knaben, das bot mir ein ideales Umfeld und hat meiner Umgebung einen plausiblen Grund für meine Wildheit und meinen Bewegungsdrang geliefert.
- Pfadi und Fussball (!) als Hobby
- ein hoch strukturiertes Elternhaus, welches das Nesthäkchen beschützte und es ständig an alles erinnerte und ihm vieles abnahm
- ein Intelligenztest im Alter von 14, der mir bescheinigte, dass meine durchzogenen Leistungen def nicht am IQ gelegen haben können. War unheimlich wichtig für mein Selbstbewusstsein. Faul und je nach Materie sehr unterschiedlich engagiert blieb ich trotzdem… Aber für die Matura hat es gereicht
- Das Ergreifen eines ADS konformen Berufs
Ich bin vielleicht durchaus unter meinen Möglichkeiten geblieben, aber deswegen nicht unglücklich.

Mein Leidensdruck war zwar da, aber nie so ausgeprägt wie bei meiner Tochter. Sie ist wohl viel stärker betroffen.

Für uns ist übrigens nicht ihr ADS das Hauptproblem. Wir können mit einer aufbrausenden, unkonzentrierten, chaotischen und zerstreuten Tochter leben, die auch in der Schule nicht ihr ganzes Potenzial abruft.

Das Problem sind die seelischen Folgen FÜR DAS KIND: Sinkendes Selbstvertrauen, tiefe Verunsicherung, lähmende Prüfungsangst, sozialer Rückzug, Depression.

Übrigens, das wird vielfach vergessen: Bei einer seriös diagnostizierten AD(H)S wird immer eine multimodale Therapie empfohlen. Diese beinhaltet Medikation, Psychotherapie und Alltagsoaching. Also nix mit einfach mal ein Kügelchen Methylphenidat (Ritalin und Co.) einwerfen. Aber oft ist die Einnahme von Medis die Voraussetzung, dass die anderen Massnahmen überhaupt greifen können.
Wenn nicht jetzt
Dabei seit: 27.02.2012
Beiträge: 165
@Avocado

Tönt gut und vernünftig. Mit dem "ADS konformen Beruf" machst du mich aber neugierig...

" Bei einer seriös diagnostizierten AD(H)S wird immer eine multimodale Therapie empfohlen." Empfohlen vielleicht, aber längst nicht immer befolgt. Das Mädchen, das ich sehr gut kenne, ist fast 15. Sie nimmt seit über 9 Jahren Medis, ohne Unterbruch, zuerst Ritalin, jetzt seit längerem Concerta. Die Diagnose bekam sie mit gut 5 Jahren, Medis 2 Monate später. Andere Therapien hat sie schon seit mehreren Jahren keine mehr. Das ist auch eine Realität. Fragwürdig ist in dem Zusammenhang die Praxis der IV. Wenn das Kind nur eine medikamentöse Therapie macht, dann ist 5 Jahre nach der Diagnose keine neuerliche Abklärung nötig. Ein Gespräch zwischen Eltern und diagnosestellendem Arzt reicht.

Was mich ausserdem nachdenklich stimmt: Ich kenne mehrere Kinder, die zwei oder drei Abklärungen hinter sich haben. Die Eltern scheinen Mühe zu haben zu glauben, dass ihr Kind kein ADS hat. Bekommt das Kind aber eine ADS-Diagnose, wird die Abklärung nicht wiederholt. Warum ist das so? Wollen Eltern denn unbedingt, dass ihr Kind ADS hat? Ist es so viel leichter, sein Kind und seine Eigenheiten zu akzeptieren und respektieren, wenn die Ursache einen Namen hat?
avocado
Dabei seit: 09.03.2005
Beiträge: 92
@ wenn nicht jetzt
Ich verrate nur so viel: Laborantin oder Bibliothekarin ist es nicht icon_wink.gif.

Es ist schwierig, für andere Eltern zu sprechen: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass für einige einfacher ist mit einer Erklärung für die Probleme ihrer Kinder durchs Leben zu gehen. Manchmal ist halt die Umwelt auch ziemlich intolerant, wenn ein Kind nicht ganz der Norm entspricht.

Bei uns war es umgekehrt. Der Weg zur Diagnose wurde uns erst vorgeschlagen (man merke: ich wähle die passive Form), als leider bereits „Folgeschäden“ manifest wurden. Unsere Tochter ist beinahe erwachsen. Der Fall ist sonnenklar, genau so wie die Aussage der Ärztin: Hätte unsere Tochter nicht lebenslang eine so grosse Unterstützung und ein verständnisvolles Umfeld gehabt, wäre die Diagnose viel früher gekommen. Na, manchmal ist es nicht ganz richtig, wie man es auch immer macht.
Gelöschter Benutzer
Ich kann dir nur berichten, wie es als nichtbetroffener Erwachsener im Umgang mit erwachsenen ADSlern ist; sowohl spannend wie auch anstrengend.
Die Interessen sind dermassen breit, dass die Halbwertzeit einer Idee oder Einstellung oft keine 2 Wochen beträgt, im Moment aber unglaublich dringend ist. Enorm vieles wird er- und hinterfragt, auch wenn es gar nicht nötig ist. Andererseits ist die Begabung zur selektiven Wahrnehmung extrem ausgeprägt. Viele Gedankengänge sind schlicht nicht nachvollziehbar und man tut dass dann als "schräges Weltbild" ab. Die Sprache ist sehr blumig, bildhaft, und mit Metaphern, Symbolen und Beispielen fast überladen. Die Gesten anderen gegenüber sind meist liebevoll, grosszügig und sehr offen, leidenschaftlich und intensiv.
Manchmal ist die Nähe zu so einer Person fast zuviel, weil man einen Grossteil der Gedanken und Gefühle nur schwer verstehen kann, andererseits wird es nie langweilig, bleibt immer spannend und zwingt selbst immer wieder zur Reflexion der eigenen Position.
Smile79
Dabei seit: 07.04.2009
Beiträge: 2397
@anitao.
... auch wenn es gar nicht nötig ist. (alles er- / hinterfragen)
*gg* es ist eben nötig, sonst geht es nicht - es lässt einen nicht los oder man kann nicht weiter daran arbeiten.

z.b. in der lehrzeit hätte ich einfach nur, zettel x immer gleich in den compi buchen sollen - geht bei mir nicht! - ich muss wissen was ich da mache.... also musste ich zuerst die ganze doppelte debitoren buchhaltung kapieren bis ich es effektiv erledigen konnte... schlimm war es, das rund um, es mir niemand erklären konnte und ich es dan von einem treuhänder (ausser haus) richtig erklärt bekam. p.s. wie will man den lp-ausbilder ernst nehmen, wenn er einem die dinge nicht erklären kann?? (*gg - autoritätsproblematik)
Sonnenblume
Dabei seit: 11.01.2002
Beiträge: 207
Das mit der Geburt ist eine persönliche Beobachtung von mir, die mich einfach interessiert. Muss man zu den gestellten Fragen noch Erklärungen abgeben, warum und wieso man fragt??? Sorry, aber gewisse Forenteilnehmerinnen haben eine sehr hohe Meinung von sich, warum auch immer.....
Wenn nicht jetzt
Dabei seit: 27.02.2012
Beiträge: 165
@Sonnenblume

Wir diskutieren auf Sachebene. Kein Grund, mich als Person anzugreifen.



"Das mit der Geburt ist eine persönliche Beobachtung von mir..." Nochmals meine Frage: WAS mit der Geburt? Worum geht es dir bei deiner Frage, wenn nicht um Ursachenforschung?
Colette
Dabei seit: 24.05.2002
Beiträge: 775
@sonnenblume
was sind den konkret deine beobachtungen?
ich habe 3 kinder, das mittlere davon ads (eher hypo- als hyperaktiv). die erste geburt und die vom "ads"-kind waren ähnlich, die dritte endete in einem kaiserschnitt da der kopf zu gross war. beim mittleren und dritten kind musste ich in der schwangerschaft immer wieder antibiotika nehmen wegen blasenentzündungen, einmal sogar nierenbeckenentzündung.
Sonnenblume
Dabei seit: 11.01.2002
Beiträge: 207
"Wenn nicht jetzt", ich greife dich nicht als Person an, aber ich finde es mühsam, bevor man Antworten auf Fragen bekommt werden einem gewisse Gedankengänge unterstellt, Gegenfragen, die erste Antwort auf meine Frage war erstmals ein grosses "gäääähn", finde ich auch persönlich. Habe einfach Mühe damit, wenn man alles komplizierter macht, als es eh schon ist. Antwort auf Frage und daraus ergeben sich vielleicht wieder neue Fragen meinerseits und wer Lust hat kann antworten.

Ich hatte bei meinem Sohn eine sehr schwere Geburt, er "steckte" praktisch über 20 Stunden fest, es wurde die Glocke eingesetzt, ging nichts und nachdem es dann sehr eilte, weil man seine Herztöne nicht mehr hörte kam die Zange zum Einsatz. Diese wurde etwas falsch angesetzt und mein Sohn hatte leichte Kopfhautverletzungen. Von einer Kollegin, deren Kind auch eine ADS-Diagnose hat, weiss ich, dass sie auch eher eine schwere und lange Geburt hatte. Aus diesem Grund, wenn erlaubt, meine Überlegung. Ist aber nur ein Gedanke mehr nicht...
Colette
Dabei seit: 24.05.2002
Beiträge: 775
@sonnenblume
bei der abklärung meines sohnes wurden mir auch fragen über die schwangerschaft und geburt gestellt. die kinderärztin hat da mehr auf die mehrmalige antibiotika in der schwangerschaft reagiert als evt. beeinflussung auf das ads.