Ist Ritalin wirklich so schlimm?

Marienkäfer
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smile79
Geht mir auch soicon_wink.gif Drum fragte ich herzfrau so genau nach den Beweggründen ihrer Fragen. Meine Sensoren sind da immer ziemlich "scharf" eingestellticon_wink.gif Und oftmals nicht unbegründet.

herzfrau
Aussagen wie "das kann es doch nicht sein" hören sich für mich anklagend an. Wenn jemand mit dem "Handicap" ADS lebt und mit Medikament gut über die Runden kommt, dann ist das doch nichts Schlimmes - auch wenn diese Person das das ganze Leben lang nehmen muss (sind aber die wenigsten) - heinomol. Dieses Medikament ist für viele Kinder und Familien ein Segen. Und man kann jetzt die Ursachen in der heutigen Welt suchen - ja (TV, Compi, Gamen, usw.). Ja, klar - das ist so - damit werden die ADS-Symptome nicht besser. Aber wir leben nun mal in dieser Welt und dieser Zeit und in keiner Anderen. Die Schule ist so wie sie ist. Sie wird sich nicht von einem Tag auf den andern in eine "ICH-KANN"-Schule verwandeln (ich kann's nicht mehr lesen *ächz). Wir müssen mit den Umständen klar kommen, wie sie gegeben sind. Klar können wir beeinflussen - aber meistens doch einfach in sehr beschränktem Masse.

Fragwürdig finde ich, wenn ich höre, dass der Missbrauch unter Studenten sehr hoch ist. Leute, die gar kein ADS haben putchen sich damit auf. Und dann wird gejammert, wenn nicht mehr ohne Ritalin gelernt werden kann.
Marienkäfer
Dabei seit: 05.02.2003
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Nochmals zu den Studenten. Wenn ein Medikament (egal welches) dazu benutzt wird, um zu Höchstleistungen fähig zu sein, dann wird das irgendwann nicht mehr genügen.

Entscheidend ist doch, wie hoch sind die Erwartungen. Liegen sie im Bereich des Machbaren für den Einzelnen oder übersteigen sie eigentlich die Grenzen der Kapazität. Und da ist das Elternhaus sehr entscheidend.

Vermittle ich meinem Kind: "hei, es ist okay, wie du das machst - es liegt im Bereich deiner Möglichkeiten. Hauptsache, du kannst mal etwas machen, was dich glücklich macht." oder ist es eher: "Und jetzt noch mehr - das kannst du noch besser - ohne Fleiss kein Preis - ein Indianer kennt keinen Schmerz - los - noch schneller, noch besser etc."

Wenn ein Student Ritalin (oder andere Aufputschmittel --> Kokain ? --> die Managerdroge) nimmt, ohne dass er ADS hat, dann muss er Leistungen bringen, die eigentlich über seine Möglichkeiten gehen. Bei ADS-lern ist das umgekehrt. Sie nehmen Ritalin, damit sie endlich Leistungen bringen können, die ihrem Potential entsprechen.
hope
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Was mich interessieren würde: Wieviele von Euren ADS-Kindern wurden auch auf Hochbegabung getestet? Und bei wievielen traf Hochbegabung UND ADS zu?
hope
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Übrigens ist bei uns in der Familie niemand getestet, ich kann also auch nur begrenzt mitreden. Ritalin gäbe ich persönlich wohl auch ganz lange keins, aber das liegt ganz einfach daran, dass meine Mutter ausgebildete Homöopathin ist und ich zuerst dort nach Möglichkeiten suche.

Die Thematik begleitet mich jedoch immer wieder und ich find vor allem die Theorie sehr spannend, dass ADS, Asperger-Syndrom, Hochbegabung und Borderline-Störungen häufig in einem Zusammenhang stehen. Diesen Zusammenhang stellte jedenfalls die Verhaltenstherapeutin Andrea Brackmann fest und beschreibt ihn in ihrem Buch "Jenseits der Norm - hochbegabt und hochsensibel". Für mich eines der wichtigsten Bücher, das ich in den letzten Jahren gelesen habe. Aber damit weiche ich vom eigentlichen Thema ab, sorry icon_smile.gif
taraxacum
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@Manya

Es gibt sooo viele Studien zu AD(H)S.....

Neust ist eine veröffentlicht worden, die darauf hinweist, dass eine langjährige Einnahme von Ritalin die Wahrscheinlichkeit an einer bipolaren Störung zu erkranken, signifikant erhöht.
Die Studien beinhalten zum Teil noch so viele andere Faktoren, dass Aussagen kaum möglich sind.

@all

Ich denke, medikamentöse Therapien sind IMMER gut zu überwachen. Im Bereich von ADHS kann die medikamentöse Therapie oft auch ein Schritt sein, die Symptome so zu reduzieren, dass eine begleitenden Therapie, um sich Fertigkeiten aneignen zu können, überhaupt erst begonnen werden kann.

Gerade kürzlich haben wir über das Schulsystem in Bezug zu der ADHS (-Zunahme) disktuiert.

Früher gab es den Frontalunterricht, klare Strukturen, klare Regeln, Ruhe im Klassenzimmer.
Heute gibt es oft Projektunterricht, durchmischte Gruppen, viel Bewegung im Schulzimmer, häufig unruhige Situationen.

Fragen: Ist die Struktur der ADHSler dem heutigen Schulsystem schlicht nicht gewachsen? Sind die Kinder mit dem heutigen Unterricht überfordert? Sind die Kinder entwicklungsmässig noch nicht so weit, dass sie dieser geforderten Selbständigkeit gerecht werden können?

Meine These: Die Zahl der ADHSler hat nicht zugenommen, jedoch sehr wohl die Zahl der "Auffälligen". Die Strukturen sind genetisch gelegt, das heutige Umfeld (Schule, Freizeit, familiäre Strukturen,...) lässt sie gedeihen, so dass sie sich als störend äussern. Währenddem gab das frühere Umfeld (Bauernhof, Wald, Schule, Mehrkindfamilie,...) den Strukturen den Boden sich in den verschiedensten Bereichen zu entfalten, ohne dass sie als störend empfunden wurden.

Fazit: Das Umfeld hat sich verändert. Entsprechend müssen die Personen mit den entsprechenden Merkmalen, die sie mitbringen so begleitet werden, dass sie sich im heutigen Umfeld zurechfinden und sich adäquat verhalten können. Dies kann zum einen mit erneut klaren Strukturen geschehen; dies kann aber auch (respk. in Kombination) mit Medikament, Therapie und Strategien-Erlernen geschehen.

Wisse immer was du sagst, aber sage nicht immer, was du weisst.
Smile79
Dabei seit: 07.04.2009
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@taraxacum
ist eine bi-polare störung nicht ein komorbität, die sich aus adhs entwickeln kann? und wurde adhs-medikament mit adhs-ohne madikament verglichen oder adhs-mit medik. - "alle"?
nimmt mich noch wunder?
Marienkäfer
Dabei seit: 05.02.2003
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@taraxacum
Dein Posting stimmt natürlich. Nur werden frühere Zeiten immer seeeehr romantisiert. So wurden viele ADS-Kinder z.B. in Heime für Schwererziehbare gesteckt oder häufiger als andere verprügelt.

Aber ich bin oft auch unzufrieden mit den Lebensformen in unserer Gesellschaft. Es entspricht einfach nicht unserer ursprünglichen Lebensform, als man noch in Sippen zusammenwohnte. Vieles war beschwerlicher, aber man konnte auch vieles teilen. Die Kinder konnten noch mehr in Grossen Gruppen mit vielen andern Kindern zusammen aufwachsen. Heute, wo wir oftmals nicht grad neben Eltern und Geschwistern lebt, muss man sich am neuen Wohnort "seine neue" Familie zusammensuchen. Und das ist nicht ganz einfach.

Diese Lebensform ist für viele nicht sehr förderlich und befriedigend. Dies zeigt ja, wieviele Depressive es gibt. Und möglich, dass Kinder stärkere Symptome zeigen, wenn sie eine genetische Disposition für ADS haben.
Manya
Dabei seit: 30.05.2002
Beiträge: 1707
@taraxacum: Hast Du eine Quelle für diese Untersuchung? Würde ich gern nachlesen. Ich meine mal gelesen haben , dass Borderline-Patienten signifikant häüfiger auch ein ADHS haben. Ob mit Ritalin behandelte das häufige haben als unbehandelte wäre da die Frage.
Interessant wäre ja auch die schwierige Frage, ob das Borderline "von selbst" mit dem ADHS zusammenhängt oder die sozialen Probleme des Kindes mit ADS das Borderlinesyndrom verursachen.

Ja, Studien gibt es viele. Zum Glück gibt es unabhängige Institutionen, die Studien auf ihre Aussagekraft hin untersuchen. Mit genügend Wissen kann man das auch zumindest teilweise selbst tun.

Ich denke, dass es heute nicht mehr Kinder mit ADHS gibt als z.B. während unserer Schulzeit. Wieviele Eltern eines ADHS-KIndes haben nicht das grosse Aha-ERlebnis wenn bei ihrem Kind ein ADHS diagnostiziert wird und sie plötzlich verstehen, warum ihre eigene Schulzeit so schwierig war: sie haben/hatten auch ein ADHS.
Ich bin mir heute sehr sicher, dass in meiner Klasse mindestens 2 Jungen ein ADHS hatten. Der eine flog in der 10. KLasse von der Schule, wurde drogenabhängig und lebt heute nicht mehr. Der andere war ein Sonderling, intelligent aber sozial ausgegrenzt. Er war einfach immer der Klassenkasper und der Prügelknabe und auch der prügelnde Knabe. Auch er flog von der Schule (schon ca. in der 5. KLasse), kam dank zahlender Elten in eine Privatschule, und ist heute selbst Lehrer.
Marienkäfer
Dabei seit: 05.02.2003
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@hope
Um auf Deine Fragen einzugehen.

Bei jeder ADS-Abklärung ist ein IQ-Test mit dabei.
Schwierig dabei ist, dass ADS-Kinder vielfach die Konzentration bei diesen Tests gar nicht aufrecht erhalten können, sodass die Resultate vielfach uneinheitlich und/oder schlechter, als ihr wahres Potential sind. Man könnte jetzt darüber diskutieren, ob die Konzentration auch ein Teil der Intelligenz ausmacht...
Smile79
Dabei seit: 07.04.2009
Beiträge: 2397
ist es relevant ob adhs mit hohem iq oder nicht? die therapie, wenn nötig, wird nicht anders sein, der betroffene wird sich schon bemerkbar machen, wenn für ihn zu einfach...

iQ-test - kann eine tendenz anzeigen. nicht mehr und nicht weniger. ich bin der meinung, ein grosser teil ist "training" - eine momentaufnahme.
problemlösung, wie gelöst wird: ob mehr logisch-mathematisch oder auswendig oder andere technik - ist doch egal. textverständnis? bei adhs, kommt halt oft eine andere lerntechnik dazu icon_wink.gif
konzentrationsspanne? was bringt ein hoher iq - wenn im alltag schwer umsetzbar?

betrf. iq-test

"Ein überdurchschnittlicher IQ reicht aus, um in der Wissenschaft kreative Leistungen erbringen zu können. Intellektuelle Hochbegabung ist dafür nicht nötig. Wie verschiedene Studien zeigen, unterschieden sich außergewöhnlich kreative Architekten, Mathematiker, Wissenschaftler und Ingenieure bezüglich ihres IQ nicht von ihren weniger kreativen Kollegen.[26] Unterschiede existieren jedoch hinsichtlich anderer Persönlichkeitsdimensionen, die durch den IQ-Test nicht gemessen werden"

aus quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kritik_am_Intelligenzbegriff