Mit Kindern an die Demo?

Moderatorin Hanna
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Blog von Reto Hunziker am 10. September 2015
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Wer eine friedliche Protest-Veranstaltung besucht, kann die Kinder ruhig mitnehmen. Stimmts?

Ich habe es nicht einmal hinterfragt, als meine Freundin sagte, sie gehe mit den Kindern an die Kundgebung «Let them in – Refugees Welcome» beim Helvetiaplatz, die Solidarität mit den Flüchtlingen demonstrieren sollte. «Das geht doch, oder?» wollte sie sich rückversichern. «Klar», sagte ich. Was sollte schon passieren? Der Schwarze Block würde ja wohl nicht auftauchen. Rechtsradikale hoffentlich auch nicht. Und sowieso, an einer bewilligten Veranstaltung, welche Friede und Freiheit propagiert, gewalttätig zu werden – so widersinnig kann doch keiner sein. So standen die drei dann auf dem Platz und setzten sich im stillen Protest für eine gute Sache ein. Als sich die Masse rundherum bewegte und sie sowieso auf den Bus wollten, gingen sie ein paar Meter mit, standen so aber auch mittendrin, als die Gummigeschosse vorbeizischten (http://www.watson.ch/Schweiz/UserInput/337891932-Polizei-setzt-bei-der-Z%C3%BCrcher-Langstrasse-Gummischrot-ein-%E2%80%93-Tausend-Personen-demonstrieren-f%C3%BCr-mehr-Solidarit%C3%A4t-mit-Fl%C3%BCchtlingen). Dass die Demo bewilligt war, ein Protestzug aber nicht, wusste bestimmt nicht jeder. Mit Baby und präpubertierendem Bub im Gummi-Kreuzfeuer – war das verantwortungslos? War das naiv? Oder einfach nur dumm gelaufen?

Gerade kürzlich hatten wir darüber diskutiert, ob es Sinn macht, Kinder an die Streetparade mitzunehmen. Mein Fazit war: Solange man sie nicht zum Selbstzweck dahin schleppt und stundenlang dazu verdonnert, zu beobachten wie man selbst Spass hat, geht das in Ordnung. Geht man für eine halbe Stunde hin, um dem Kind einen Eindruck zu geben, wie so eine Massenveranstaltung aussieht und was da so für Leute kursieren, kann das ja lehrreich sein. Genauso wenn wir unseren Kindern zeigen, dass wir uns für andere einsetzen. Im besten Fall entsteht beim Kind ein Bewusstsein dafür, dass man für sein Recht und seine Überzeugung einstehen muss.

Trotzdem, im Nachhinein finde ich es fahrlässig, mir so wenig Gedanken darüber gemacht zu haben. Was, wenn ein Gummigeschoss meine Tochter ins Gesicht getroffen hätte? Die Polizei schoss scheinbar aus ziemlich kurzer Distanz. Das hätten wir Eltern uns wohl nie verziehen. Was meint ihr, sind Demos per se kein Ort für Kinder?

Du kannst den Blog auch online lesen unter: http://www.wireltern.ch/artikel/blog-mit-kindern-an-die-demo
goodie
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Nein, das ist kein Ort für Kinder, weil man nie voraussagen kann ob das ganze ins Negative rutschen kann.

„Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg."

Mahatma Gandhi
GabrielaA
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finde ich auch, kein Ort für Kinder. Vorallem sind die Kinder ja noch zu klein, um zu begreifen, wofür die Erwachsenen an dieser Kundgebung einstehen. Sie ahnen einfach das nach, was wir tun.

Es ist ein Fastnachtsumzug oder Festumzug, wo die Kinder fröhlich dabei sind. Es ist etwas von den Erwachsenen, wo leider immer wieder Personen auftauchen, die nur Unruhe stiften wollen.
Universum
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Um seinen Kindern zu zeigen, dass man sich für andere einsetzt, dafür muss man ganz bestimmt nicht an eine Demo! Das lernen sie im Alltag, z.b. indem man nicht mitmacht, wenn ein Klassenkamerad ausgeschlossen oder gar schickaniert wird. Oder man lädt ein neuzugezogenes Kind zum Spielen und Zvieri ein.
Kinder gehören nicht an jede "Hundsverlochete". Oft steckt nur Egoismus und auf nichts verzichten wollen der Eltern dahinter.

Versprich nichts, wenn Du glücklich bist.
Antworte nicht, wenn Du wütend bist
und triff keine Entscheidungen wenn Du traurig bist.

Autor unbekannt.
Blue64
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Ich finde auch, ein Baby hat nichts bei einer Demonstration verloren und ein Präpubertierender hat mich Sicherheit andere Prioritäten in seinem Leben.

Wieso ist es für viele Eltern so schwer, einfach zu warten - alles hat seine Zeit: das erste Handy, die erste Party, die erste Übernachtungsparty, das erste Bier, etc. etc..

Und Demonstrationen sind meines Erachtens prinzipiell für Erwachsene. Um meinem Nachwuchs meine Überzeugung nahe zu bringen, dazu benötige ich keine Kundgebung, keine Demo, keine Massenversammlung.

Und sehe ich selbige im Fernsehen, so mahne ich laut und deutlich nur eines ein: sie dürfen ab 18 demonstrieren und streiken, wenn es ihre Überzeugung ist, soviel sie wollen, aber ausnahmslos ohne Vermummung und Gewaltanwendung.





Ich denke, also bin ich hier falsch !
Blue64
Dabei seit: 20.08.2003
Beiträge: 1456
Ach ja - Nachtrag:

"...Trotzdem, im Nachhinein finde ich es fahrlässig, mir so wenig Gedanken darüber gemacht zu haben. ...." ---- Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Denn genau deshalb sind wir erwachsen, um VORHER zu überlegen!

Ich denke, also bin ich hier falsch !
wilda
Dabei seit: 30.08.2015
Beiträge: 16
nein, definitiv
KlaraM
Dabei seit: 01.03.2013
Beiträge: 1770
Kommt doch darauf an, was für eine Demo und ob sie bewilligt ist. Wer sich daran hält, muss keine Polizei-Eingriffe fürchten.

Wir waren mit den Kindern zwei- oder dreimal an einer Demo und alles war ganz friedlich. Ich wüsste jetzt nicht, warum Kinder nicht an eine Demo gehörten: Es geht doch bei einer Demo darum, durch Präsenz die Wichtigkeit eines Anliegens zu bezeugen.
Meine Tochter erinnert sich heute noch an die Frauen-Demo 2003 in Bern. Sie war damals 5 und nur wir zwei Frauen fuhren hin, mit dem Zug. Entsprechend dem Aufruf hatten wir selber ein Lärminstrument gebastelt. Und ja, ich finde auch heute noch, dass eben genau auch junge (und sehr junge) Frauen an diese Demo gehörten, denn um ihre Zukunft ging es doch. Meine Tochter war übrigens mega stolz am folgenden Montag, als die Kindergärtnerin der Klasse erzählte, dass sie selbst an der Frauen-Demo war und bei den Kindern nachfragte, ob denn auch jemand von ihnen dort war. icon_biggrin.gif
philosophia
Dabei seit: 01.02.2004
Beiträge: 232
Ich finde die Kinder sollte in der Lage sein, zu verstehen, wofür das Mitmachen an der Demo steht. Und natürlich sollte es freiwillig sein und nicht den Eltern zu lieb. Und das ist bei unter 12 jährigen wahrscheinlich eher schwierig herauszufinden.
Als 16-jährige hätte ich mir von meinen Eltern hingegen kaum verbieten lassen, an einer Demo teilzunehmen. Also wer sich an eine Demo wagt, und mit Gummi, Wasserwerfern, Gegendemonstranten rechnet, lässt sich kaum von Eltern aufhalten icon_biggrin.gif Höchstens von guten Argumenten.
In der Regel kann man sich auch am Rande/Ende des Demozuges aufhalten, um sich rechtzeitig abzusetzen falls es kritisch würde. Man muss einfach permanent sehr wachsam bleiben, das gilt mit Kindern doppelt.
Und eigentlich ist es jammerschade, dass wegen den Allzeit Randalierenden es immer bedenklicher wird an so etwas teilzunehmen. Verantwortungslos sind eigentlich diese Streitsuchenden, nicht die friedlich Demonstrierenden. Ich wäre gerne mal mit Junior an ein grösseres Fussballmatch gegangen. Hatte aber Nullbock Hooligans im Stadion oder in den Zügen zu begegnen.
Eine Demo habe ich ihn hingegen schon zugemutet. Allerdings in extremer Habachtstellung. Tja nicht aufmucken kann auch verantwortungslos sein. Von meiner Seite her ist es ein echtes Dilemma.