Asperger - Syndrom , wer weiss mehr ?

portobello
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 30.10.2010
Beiträge: 126
Hat jemand von Euch ein Asperger - Syndrom Kind ? Das Kind einer Kollegin wird zur Zeit auf dringliches Empfehlen der Schule darauf Abgeklärt. Die Mutter hatte mir erzählt er werde auf Autismus abgeklärt ( kein Wort von Asperger ) und sie fände, dass er überhaupt nicht den Merkmalen eines Autisten entspreche... fand ich z.t. auch nicht. Habe sein Verhalten auf fehlende soziale Kontakte, integrationsprobleme wegen der Sprache und die Scheidung der Eltern zurückgeführt.

Gestern hat mich die Schulleiterin angerufen, es war was dringendes, denn der Junge kommt morgens vor der Schule zu uns und isst danach auch bei uns zu Mittag. Sie hat ein anderes Licht reingebracht und eben erklärt, dass es um Asperger geht ( eine Form des Autismus ). Die Mutter zeigt sich überhaupt nicht kooperativ mit der Schule und es wird darauf hinauslaufen, dass er " zwangsversetzt " wird, in eine Schule in der er sich wohl fühlt.

Ich habe Asperger gegoogelt, und ja, fast 90 % der Merkmale passen zum Wesen des Jungen. Gestern Abend habe ich nochmals das Gespräch mit der Mutter gesucht, ihre Antwort : Asperger & Autismus ist das gleiche ! Und mein Sohn ist kein Autist !
Sie hat sich in den Kopf gesetzt, dass die Lehrerein gegen ihren Sohn ist und er zu einer anderen Lehrerin sollte. Ihr sind die Probleme des Jungen in der Schule und im sozialen Kontakt mit den anderen Kinder bewusst... aber mir scheint es, als wolle sie gar nicht den Ursprung/ die Quelle herausfinden.

Wie sind eure Erfahrungen mit einem Asperger - Kind ? Geht es in die reguläre Schule ( er ist in der 1. Kl ), oder in einer kleinen Gruppe / spez. Schule ?
jeruscha
Dabei seit: 30.12.2003
Beiträge: 1196
Autismus, oder Autismus-Spektrum ist der Überbegriff für unterschiedliche, zum Teil fliessend ineinander übergehende Variationen.
Asperger (-syndrom, -autismus) ist eine Erscheinung im autistischen Spektrum. Insofern ist Autismus und Asperger dasselbe, ein Baum kann auch nicht verneinen eine Pflanze zu sein, oder?

In unserer Familie und immer mehr auch im Freundeskreis hat es diverse Asperger-Autisten, alle gehen in die reguläre Schule, an weiterführende Schulen oder stehen mitten im Studium/Berufsleben. Jeder der Betroffenen würde es weit von sich weisen als "Syndrom", behindert oder was auch immer bezeichnet zu werden, es sind vollwertige gesunde, lebensfrohe Menschen, mit einer "vom Durchschnitt" abweichenden Wahrnehmungs- und Bedürfnishorizont.

Tragisch finde ich persönlich es höchstens, wenn Asperger in einer Umgebung (Elternhaus, Schule) landen, die mit ihren Besonderheiten wenig anzufangen wissen, denen das Verständnis fehlt.
portobello
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 30.10.2010
Beiträge: 126
Ich denke, dass Verständnis ist von Seite der Schule da. Sie betonen auch, dass es schlussendlich nur um das wohlsein des Jungen geht. Bevor die Schulleitung entschieden hat ihn abklären zu lassen ( eine Ärztin der Kt. Erziehungsdirektion hat die Bestätigung schon schriftlich gegeben ) haben ihn mehrere Personen beobachtet. Sie sind zum Schluss gekommen, dass es ihm in der Klasse nicht wohl ist, er überfordert ist wenn zuviele Kinder um ihn herum sind ( z.b. Garderobe / Pause ). Seine Überforderung zeigt er mit agressivem Verhalten gegenüber andere Kinder. Es vergeht leider fast kein Tag an dem er nicht ein anderes Kind schlägt.
Eine Lehrperson hat z.b. beobachtet wie sich die Kinder für die Pause angezogen haben, das getümmel war für ihn zuviel und er hat aus dem nichts alle Kinder um sich gehauen, gewürgt, Mädchen an den Haaren gezogen.....
esprit
Dabei seit: 05.03.2008
Beiträge: 57
Wir haben ein Asperger-Mädel!
Zu deinen Fragen:
Unsere Tochter besucht zur Zeit ein sogenanntes Sonderschulheim für Kinder mit normalen intellektuellen Voraussetzungen und körperlichen Beeinträchtigungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Die Klassengrösse umfasst ca. 10 Kinder auf 2 (!) Lehrkräfte. Die Räumlichkeiten sind hervorragend, grosses Gruppenzimmer direkt angrenzend an Klassenzimmer, grosses Werkzimmer direkt angrenzend an Klassenzimmer etc.
Unsere Tochter besucht die 4.Klasse. Da sie im sprachlichen Bereich sehr begabt ist, löst sie da teils bereits 5.Klass-Stoff. Für sie ist es unter anderem (im Moment) wichtig in einer überschaubaren (kleinen) Gruppe zu sein.

Leben ist endlich. Lebe endlich!
portobello
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 30.10.2010
Beiträge: 126
esprit, danke für deinen Bericht ! Daraus entnehme ich, dass für dein Kind eine bestmögliche Lösung gefunden wurde. War es für dich am anfang schwer die Duagnose anzunehmen ?
Wie denkst du kann ich der Mutter am bestem zur Seite stehen ?

Ich habe ihr angeboten sie beim nächsten Gespräch mit der Schulleitung zu begleiten.
Ich hoffe einfach, dass es nicht vorher eskaliert, denn es haben sich schon mehrfach Eltern / Tagesschule ( da wurde er wegen seinem Verhalten rausgeworfen ) bei der Schule beschwert.
Heute z.b. hat er auf dem Nachhauseweg am Mittag einem anderen Jungen so fest ins Gesicht gehauen, dass die Brille des anderen Jungen kaputt gegangen ist.... da wird heute Abend noch was auf die Mutter zukommen ....
jeruscha
Dabei seit: 30.12.2003
Beiträge: 1196
Wie kann die Schule beschliessen, dass und wo ein Kind abgeklärt wird? Braucht es dazu nicht das Einverständnis der Mutter?
Was mir auch in den Sinn kommt: wer ein Kind hat, das immer wieder in der Täterrolle erscheint, gerät dadurch oft so sehr in eine Abwehr- und Verteidigungshaltung, dass er/sie nicht mehr objektiv und konstruktiv mit anderen involvierten Personen zusammenwirken kann.
Deine Worte wirken auf mich nicht besonders wohlwollend und verständnisvoll gegenüber der Mutter.
Dies sind Fragen die bei mir aus deinem Text auftauchen unabhängig von der Option, dass es sich um ein Aspergerkind handeln könnte.

Ach ja, ein sehr klasisches Merkmal bei Asperger-Kindern: fast immer kommt es zu verhärteten Fronten zwischen Schule und Eltern, zwischen Eltern und anderen Eltern, ganz einfach: weil Aspergerkinder so sehr im hier und jetzt leben und fühlen, dass sie situativ derart anders wahrgenommen werden, es gibt oft keine Kongruenz bei der Wahrnehmung ÜBER diese Kinder. Erst wenn die involvierten Personen dieses Schema verstanden haben, ist eine konstruktive Zusammenarbeit zum Wohl des Kindes überhaupt möglich.
Platibus
Dabei seit: 08.10.2005
Beiträge: 239
Hallo, da ist ja wieder einmal der ganze Asperger-Club beieinander icon_smile.gif

Wie auch schon geschrieben bin ich, mein Mann, unsere Tochter und ein grosser Teil unserer Verwanten mehr oder weniger starke Asperger. Was in meiner Kindheit durch Unwissenheit zu einem schulischen Desaster führte, ist für unsere Tochter heute eine grosse Chanche. Wir haben von Anfang an mit der Schule kommuniziert und erklärt, dass unser Kind "halt so ist". Ich und meine Mann wussten ja aus eigener Erfahrung, wo für uns Asperger die sozialen Tretmienen einer Regelschule verborgen liegen und konnten so Lehrer, Mitschüler und Tochter vor all zu grossem Schaden bewahren. Das klappte so gut, dass unsere Tochter heute noch gerne in unsere Dorfschule geht und sogar ab und zu Freunde findet, so weit das für sie überhaupt möglich ist.

Wenn du Fragen hast, dann schick mir doch schnell eine PN, ich bin aber nicht jeden Tag hier Forum.
jeruscha
Dabei seit: 30.12.2003
Beiträge: 1196
Hallo Platibus icon_smile.gif

die Asperger-Fraktion ist aber noch nicht vollzählig, da fehlen noch ein paar Stimmen icon_wink.gif
Russalka
Dabei seit: 16.02.2002
Beiträge: 716
ich kann das so leider nicht bestätigen: ich finde es teilweise schwierig, mit meinem (atypischen) aspergersohn umzugehen, gerade WEIL ich ähnliche defizite habe!
jeruscha
Dabei seit: 30.12.2003
Beiträge: 1196
@Russalka

hat das mit Asperger zu tun? Oder eher damit, dass einem jedes Kind mehr oder minder an seine Grenzen bringen kann? Manche schieben einem gleich über die Grenze....