Ich erzähle dir einfach mal, wie es in der Klasse meiner Tochter läuft.
Ein Mädchen ist nicht richtig akzeptiert; sie wird nicht geplagt oder so, aber niemand ist so richtig mit ihr befreundet. Sie möchte aber unbedingt Anschluss, und so macht sie sich seit Jahren regelmässig mit erfundenen Geschichten wichtig. Die sind teils so haarsträubend, dass die andern Mädchen sie nicht für einen Moment glauben; manchmal kommt meine Tochter aber auch heim und will bestätigt haben, dass das gar nicht sein kann. Dann finden wieder alle das Mädchen noch viel doofer und schneiden sie erst recht, weil sie ja Lügen erzählt.
Nun nehme ich nicht meine Tochter in Schutz und sage: Kein Wunder schneidet sie das Mädchen, wenn diese sie grundlos anlügt. Mache ich aber nicht, denn ich versuche ihr zu erklären, warum das Mädchen diese Geschichten erfindet; weil sie möchte, dass die andern sie beachten, sie wichtig finden, ihr zuhören. Natürlich ist das der falsche Weg. Wenn aber die übrigen Mädchen dieses Mädchen nicht mehr ausschliessen, sondern miteinbeziehen, dann hat sie auch keinen Grund mehr, Geschichten zu erfinden, sondern fühlt sich auch so akzeptiert, wie sie ist.
Ich sage nicht, dass das dann einfach so klappt, aber es bessert sich und manchmal bin ich ganz stolz auf meine Tochter, wenn ich merke, dass sie sich Mühe gibt, z. Bsp. das Mädchen auch mitspielen lässt, auch wenn sie schon eine Freundin bei sich hat. Früher hat sie sie abgewimmelt, wenn sie geklingelt hat, egal ob sie allein oder zu zweit war. Mir tat und tut das Mädchen oft leid, weil es für sie sicher auch Mut braucht, zu fragen, ob sie mittun kann. Und die Abstände zwischen den Geschichten werden immer länger.
Ich kann nicht alles beeinflussen, aber ich kann versuchen, meiner Tochter zu erklären, wie und warum sie sich verhalten soll. Ich möchte ja, dass sie lernt, sich in andere Menschen hineinzufühlen.