Integrative Schule: Fluch oder Segen?

Rosa33
Dabei seit: 25.06.2012
Beiträge: 97
Neue Analysen zeigen, dass nach Aufhebung der Sonderklassen an diesen Orten mehr Mädchen vom IF profitieren und mehr Schweizer Kinder. In Sonderklassen waren mehr Jungen und mehr Immigrantenkinder.
Weiter kann aufgezeigt werden, dass durch die vermehrte Aufhebung von Sonderklassen mehr Kinder als geistig behindert klassifiziert und an Sonderschulen unterrichtet werden icon_rolleyes.gif
was darauf hinweist, dass die Schule und auch die LP und v.a. die Köpfe noch nicht wirklich integrationsfähig geworden sind...
«Es geht um die Frage,
wie eine Schule beschaffen, ausgestattet oder organisiert sein muss, damit sie in der Lage
ist Kinder zu integrieren.» Gérard Bless/Wilfried Kronig
Quest
Dabei seit: 05.11.2002
Beiträge: 975
Nein ich meine gar nichts ironisch.

Vor 30 Jahren als ich zur Schule ging gab es die Hilfschule.
Dort kamen diejenigen hin die nicht in der Regelklasse mithalten konnten.
Die Minderbegabten, oder wie man die auch immer nennen will.
Denn in der Regelklasse war so jemand immer derjenige der dem Spott der Allgemeinheit ausgesetzt war (Hier kommt der Ausdruck "Döfi" zum tragen)

Aber unter "Seinesgleichen" passierte das nicht. Und das ist auch noch heute so. Die Kinder sind nach wie vor brutal zueinander.

Mein Sohn hatte ein paar Jahre einen IF-Schüler in der Klasse. Er wurde nicht integriert er war nicht beliebt und niemand wollte was mit ihm zu tun haben. (er benahm sich leider auch entsprechend). Aber wegen diesem Schüler wurden alle anderen vernachlässigt.

Mein Sohn hat motorische Probleme, bekam 2 Jahre Psychomotorik, wurde aber in der Klasse nicht weiter unterstützt.
Darum geht er jetzt auch in der Oberstufe in eine Privatschule.
Richtig, auch dort hat es solche Kinder, aber zum Glück wird dort
anders reagiert als in der öffentlichen Schulen und das hilft allen.

Meine Meinung ist gemacht und ich lass mich nicht davon abbringen. Habe zu viel Negatives damit erlebt. Und freue mich wenn mein Sohn aus dem ganzen raus ist und ich mich nie mehr um so was wie Schule kümmern muss.


Rosa33
Dabei seit: 25.06.2012
Beiträge: 97
vom IF profitieren neu wohl wirklich schulisch schwache Kinder, während die Selektion zu den Sonderklassen früher noch zufälliger erfolgte.
GabrielaA
Dabei seit: 18.10.2002
Beiträge: 5446
Ich habe nicht ganz alle Antworten gelesen.
Schreibe hier einfach (wieder einmal) meine Erfahrungen rein:
In unserer Wohngemeinde gibt es seit ca. 2 oder 3 Jahren die IHP. Die Schule "musste" diese annehmen, ist aber laut Schulleiter nicht glücklich damit. Wir haben einen heute 12 Jährigen Sohn, der einfach kein "08/15" Kind ist. Als Kleinkind war er vorallem sprachlich sehr auffällig, da er bis ca. 4 Jährig nur ein paar Worte sprach. Er verständigte sich mit Gesten und Geräuschen, die wir Eltern und sein Bruder bestens verstanden. Motorisch fiel er (noch) nicht so gross auf. Mit 3 Jahren hatte er HP-Früherziehung, mit 4 kam Logo dazu, mit 4.5 statt HP-Früherziehung gabs Ergotherapie. Mit 5 kam er in den Sprachheilkindergarten.

Wir hofften, dass er in die ASS (Sprachheilschule) eingeschult würde. Die KIgÄ jedoch stellte nicht mal den Antrag, da nur etwa 40% der Kinder aufgenommen würden. (Sie stand damals kurz vor einem Burnout).

Wir kämpften darum, dass unser Sohn mit HP-Unterstützung hier in der Gemeinde zur Schule kann. Das war nicht möglich. 1. Sie seien keine Integrative Schule, 2. Hätten sie keine Heilpädagogin, 3. Könnte er auch noch nicht in die Logo.

Schlussendlich entschlossen wir uns für die Sonderschule. Dort hat er dafür auch alle Therapien, LP und Therapeuten arbeiten zusammen, jedes Kind wird individuell gefördert, kleine Klassen. Vor 1.5 Jahren versuchten wir es erneut, mit der Einschulung in der Gemeinde, mit HP-Unterstützung. Obwohl er hier 2 Wochen zur Schule ging, es ihm gut lief und er glücklich war, hiess es, er bräuchte zu viel Unterstützung, er wäre überfordert. Die HP kommt 2 Lektionen in der Woche in die Klasse und arbeitet dann immer mit mehrern Kinder zusammen. Dass er quasi eine 1:1 Betreuung (auch nur stundenweise) hätte, das wäre nicht möglich gewesen. LP und HP seien überfordert, hiess es.

Heute haben wir akzeptiert, dass unser Sohn die Sonderschule besucht. Er ist in der 5. Klasse und arbeitet z.Z. noch am 4. Klass-Mathe-Stoff. Wir möchten jedoch, dass er bereits 5.Klasse Stoff erarbeitet, da ich vorallem merke, dass er von diesen Aufgaben auch schon einige könnte. Zurückgreifen auf den 4. Klass-Stoff wäre jederzeit wieder möglich. Doch, wenn er immer wieder dasselbe durcharbeiten muss, bis alles 100% sitzt, befürchte ich, löscht es ihm mal ab. Er selber ist glücklich dort. Wir haben ihn natürlich auch unterstützt und gesagt, es sei das beste für ihn, wenn er dort zur Schule könnte. Hätten wir gejammert, wie schade es ist, dass er hier nicht zur Schule kann, würde es ihm bestimmt nicht so gut gehen.
GabrielaA
Dabei seit: 18.10.2002
Beiträge: 5446
Zum Thema Hilfschule/Kleinklassen:
Vor vielen Jahren unterrichtete meine Tante die Kleinklassen. Sie sagte oft, die wenigsten Kinder gehörten eigentlich hier hin. Bei einigen war es so, dass sie oft sich selbst überlassen waren, tun und lassen konnnte, was sie wollten, stundenlang vor bis spät in die Nacht vor dem Fernseher sassen. Kinder, deren Eltern vom sprachlichen oder intellektuellen Stand her nicht helfen konnten, etc.

In unserer Gemeinde gibt es die Kleinklassen nicht mehr. Diese Kinder werden mit den Regelklassenkinder gemeinsam unterrichtet. Wenn nun ein Kind sozial vernachlässigt ist (sag ich mal), (Beispiel oben), ob dem nun besser geholfen wird mit Integration in der Regelklasse, weiss ich nicht. Die Gründe, weshalb ein Kind früher in die KK kam, haben sich ja nicht gross geändert.

Für jedes Kind, welches von der Integration profitieren kann (auch Hochbegabte), ist es ein Glück, wenn das möglich ist.
Tanja444
Dabei seit: 13.09.2012
Beiträge: 2
Ich finde Integration etwas gutes, wenn es umgesetzt werden kann. D.h. wenn die Lehrer/Innen bereit sind dies in ihrer Klasse und Kindergarten umzusetzen. Ich habe beide Erfahrungen gemacht. Mein Sohn hat ein starkes ADHS und wurde im Kindergarten z. T. suspendiert (ins Turnen durfte er 3/4 Jahre nicht gehen und dann noch zwei Wochen ganz suspendiert), obwohl sie ihn integrieren wollten.Das war eine sehr schwierige Zeit für uns als Familie. In der Schule, jetzt 2. Klasse, ist er gut integriert. Hier sind auch die Lehrpersonnen genial.
Wichtig ist vor allem die Zusammenarbeit Schule - Eltern. Es ist nicht immer einfach, ich denke für beide Seiten nicht.

linlar*
Dabei seit: 01.11.2007
Beiträge: 982
Schwieriges Thema. Wir haben jetzt gut 5 Jahre Erfahrung mit dem integrativen Schulsystem, unsere Kinder sind jetzt in der 6. und 4. Klasse und kennen nichts Anderes. Sie sind beide "normal" begabt, kommen ohne Schwierigkeiten mit, und beide haben "spezielle" Kinder in der Klasse. Fazit bei der Älteren: Auch nach gut 5 Jahren hat das "spezielle" Kind noch Schwierigkeiten mit der Integration, wird manchmal ausgegrenzt, da es andere Regeln hat als die Andern, also mehr "darf", mehrere Chancen hat, wird von andern gehänselt, da sie es lustig finden, wenn es ausflippt. Lehrpersonen und Heilpädagogen verlangen von "normalen" Kindern, dass sie verstehen müssen, dass es für das "spezielle" Kind halt schwieriger ist. Vor allem die Lehrpersonen mit Teilpensum (z.B. Handarbeit etc.) haben Mühe sich durchzusetzen, obwohl die Klasse sehr klein ist. Da aber die Klasse sehr klein ist, kommen sie vom Stoff her doch immerhin mit. Beim Jüngeren: auch dort immer wieder Probleme mit "speziellem" Kind.
Mir tun eigentlich vor allem diese Kinder Leid, denn es ergibt sich ein Teufelskreis. Meiner Meinung nach ist so eine Integration nicht gegeben.
(Bei den "speziellen" Kindern handelt es sich um Kinder mit ADHS o.ä.)
An und für sich finde ich die Idee von der Integrativen Schule gut, aber es hapert irgendwie an der Umsetzung.

Leben und leben lassen
Atlantis
Dabei seit: 13.09.2012
Beiträge: 13
Das grosse Problem sind nicht die Kinder (von wegen sozialer Kompetenz) sondern die LEHRER. Solche, welche bereits seit 20 Jahren oder noch länger Schule geben nach dem alten System sind damit überfordert.
Wenn das mit der Integration wirklich so beibehalten werden soll, müssen pro Klasse zwei Lehrer sein und zwar während dem ganzen Unterricht.

Meine Tochter ist in der 4. Klasse und sehr gut in der Schule. Die Lehrerin ist mehr oder weniger überfordert mit den integrierten Kindern und kümmert sich, zusätzlich zu Heilpädagogin, sehr viel um sie oder hat sich klarerweise zu kümmern. Was passiert nun mit meiner Tochter? Ihr werden einfach zusätzliche Übungsblätter in die Hand gedrückt, sie muss viel warten oder den anderen helfen.
Aber hat sie denn nicht auch eine Förderung verdient? Bei uns in der Klasse werden nur die integrierten gefördert, die anderen lässt man so laufen weil sie ja keine Probleme machen oder den Unterricht stören.

Es wird unheimlich schwierig sein, die Waage zu halten in der Klasse, damit keiner über- oder unterfordert ist. Keine einfache Aufgabe für eine Lehrperson.
conny-f
Dabei seit: 11.09.2012
Beiträge: 20
die umsetzung ist tatsächlich abhängig von den personen, die involviert sind.
es geht dabei aber nicht nur um die lehrpersonen, schulischen heilpädagogen oder die schulleitung und behörde, sondern auch um die eltern der kinder der klasse. es ist sicher mit-entscheidend, welche haltung sie dazu einnehmen. die kinder spiegeln diese haltung in ihrem sozialverhalten. wir alle sind also mit-verantwortlich.

dies macht diese schulform überhaupt so kontrovers.

ich bin übrigens auch nicht für integration um jeden preis. es gibt kinder die fühlen sich wohler in einer sonderschule, weil sie auf ihrem niveau mit ihrem tempo weniger druck verspühren.




[Dieser Beitrag wurde 1mal bearbeitet, zuletzt am 13.09.2012 um 17:28.]
beobachterin
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 17.02.2009
Beiträge: 13
Atlantis spricht einen wichtigen Punkt an, nämlich dass die integrative Schule sowohl Kinder als auch Lehrpersonen und Eltern schlicht überfordern kann. Der Kinderpsychologe Urs Kiener von der Pro Juventute führt das darauf zurück, dass einerseits die Norm (was ist normal) sehr eng gefasst wird: sobald ein Kind in irgendeinem Bereich ein bisschen aus der Reihe tanzt, wird irgendwas diagnostiziert. Andererseits fasst die integrative Schule die Norm aber sehr breit: alle Kinder sind normal, egal ob sie leicht lernen oder Mühe haben. Das kann am Ende irgendwie nicht so richtig aufgehen bzw. die Frage wäre halt, wie bringt man das unter einen Hut?