Ist mein Kind unterfordert? (langer Text, sorry!)

melli
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 03.01.2005
Beiträge: 780
Mein Mann und ich haben die Vermutung, dass unser Sohn in der Schule unterfordert ist. Ich spreche nicht von Hochbegabung, denn das ist sicher nicht der Fall.
Mein Ältester ist jetzt acht Jahre alt und geht in die zweite Klasse. Zur Vorgeschichte: Nach dem ersten Kindergartenjahr schlug die Kindergärtnerin vor, ihn auf besondere Begabung abzuklären. Der Schulpsychologe ermittelte eine hohe Intelligenz, aber keine Hochbegabung. Es wurde uns frei gestellt, ob wir ihn früher einschulen wollten oder nicht. Wir haben uns dagegen entschieden, wollte ihm noch etwas Zeit geben. Die Einschulung verlief erst problemlos. Mein Sohn war schon sehr weit. Er las schon Bücher und rechnete gut. Schon in der ersten Klasse hörten wir darum oft das Wort "Langeweile". Am Ende des letzten Schuljahres und auch jetzt präsentiert sich die Situation so: Mein Sohn kommt mies gelaunt nach Hause. Die Schule sei langweilig. Seine Hausaufgaben macht er eher schludrig und schnell aber immer korrekt. Schlimm ist, dass wir Eltern ihn nicht mehr fassen können. Er kann nicht mit Regeln umgehen, verstrickt sich in endlose Diskussionen und ist oft agressiv.
Wir haben die Lehrerin darum um ein Gespräch gebeten, welches in einer Woche stattfinden wird. Ich deutete ihr kurz an, worum es geht. Sie schaltete sogleich auf stur, lachte fast und sagte, dass mein Sohn bei weitem nicht der Schnellste sei.
Auf der anderen Seite kommt mein Sohn jeden Tag nach Hause und sagt, dass er zig zusätzliche Übungsblätter machen musste, da er so viel schneller fertig sei mit den Aufgaben als die anderen. Die Arbeiten, welche ich unterschreiben muss, sind allesamt fehlerfrei. Was soll ich jetzt glauben? Mal abgesehen davon äussert sich Unterforderung ja nicht zwingend darin, dass das Kind immer super schnell ist, oder?
Mir graut vor dem Gespräch in einer Woche! Die Lehrerin ist dafür bekannt, dass die die Schüler ausbremst statt fördert. Bin ich ihrem Urteil wirklich hilflos ausgeliefert?
Nach zwei Jahren stehen erneut vor dem gleichen Problem wie nach dem ersten Kindergartenjahr - kann das Zufall sein? Merci für euren Rat!
kaye
Dabei seit: 25.11.2009
Beiträge: 963
Schaut wie ein klassischer Fall von Unterforderung aus. Das ist ohne Abklärung aber schwierig nachzuweisen (anders als bei Euch können ja die Leistunge auch durchaus nicht gut sein!). Was ganz klar ist, ist dass das Kind leidet. Beim Gespräch würde ich deswegen dies in den Vordergrund stellen, und nicht so sehr darauf pochen, dass er sicher unterfordert ist, und damit die Lehrerin kritisieren. Es geht darum, dein Kind aus dieser Situation zu befreien, und zwar so schnell wie möglich. Gibt es bei Euch sowas wie Begabtenförderung? Schon einzelnen Stunden pro Woche können Wunder wirken (aber nicht immer reicht das natürlich). Falls die Lehrerin keine guten Vorschläge hat, wie man ihm helfen könnte in ihrer Klasse, oder falls es sich bis zu den Herbstferien nicht wesentlich bessert, würde ich dann sofort einen Schritt weiter gehen, abklären, Schulleitung, Fachleute, mit dem Ziel, ihn noch vor Weihnachten in die dritte Klasse zu lassen. Oder gibt es eine andere zweite Klasse bei Euch?
melli
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 03.01.2005
Beiträge: 780
Danke kaye. Es gibt bei uns Begabtenförderung. Die soll auch wirklich grossartig sein. Die Kinder sind zwei Stunden wöchentlich bei einer Lehrerin und bekommen wirklich tolle Lektionen geboten. Sie schauen sich beispielsweise einen Motor genauer an, sprechen über Windkraft, etc. Die Lektionen überschneiden sich nicht mit dem regulären Unterricht. Wir denken, dass diese Begabtenförderungsstunden zumindest einen Versuch Wert wären.
Es gibt noch eine zweite Klasse bei uns. Die Klasse wurde nach der ersten Klasse geteilt, da noch die EK dazu kam und die Schülerzahl sonst zu gross gewesen wäre. Unser Sohn ist sehr glücklich, dass er nicht in der anderen Klasse ist! Er hat tolle Freunde in seiner Klasse und für uns wäre die Versetzung in die 3. Klasse wirklich Ultima Ratio...
Igela
Dabei seit: 24.11.2007
Beiträge: 1229
Hoi Melli!

Das was du schreibst,könnte unsere Familie vor 3 Jahren gewesen sein.Und unsere Tochter.Nur hatten wir damals das Glück,dass die Lehrperson ein offenes Ohr hatte und von sich aus vorgeschlagen hat unsere damals 1.klässlerin bei der Schulpsychologin abzuklären.Was herausgekommen ist?Nicht eine Hochbegabung,aber ein Kind das extrem schnell lernt und begreift.Mathe und Deutsch war sie ihren Klassenkameraden 2 Jahre voraus.Sie hat eine Klasse übersprungen.Statt in die 2te grad in die 3.Klasse.Dort musste sie sich endlich anstrengen und wurde auch ruhiger.Heute ist sie eine ausgeglichene 5.Klässlerin(Klassenbeste) und geht gerne zur Schule.Langer Text,kurzer Rat:Besteh beim Gespräch auf eine schulpsychologische Abklärung.Falls die LP nicht einverstanden ist,kannst du von dir aus dein Kind anmelden!

Es geht immer irgentwo ein Türchen auf!
Igela
Dabei seit: 24.11.2007
Beiträge: 1229
Ach ja,eine abklärung hilft vor allem auch dir und der LP das Kind besser zu verstehen.Viele "Handlungen" des Kindes werden dann erklärbar.Will nicht heissen,dass Dein Kind eine Klasse weiter muss/soll/darf.Die LP ist danach aber verpflichtet mehr auf die Begabung Deines Sohnes einzugehen!

Es geht immer irgentwo ein Türchen auf!
melli
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 03.01.2005
Beiträge: 780
Danke Igela! Mein Sohn war ja schon beim Schulpsychologen vor zwei Jahren. Kann ich es ihm wirklich zumuten, schon wieder dahin zu gehen? Ich komme mir dabei vor wie eine Mutter, die ihr Kind in den Himmel zu heben versucht. Ich möchte kein Wunderkind, sondern ein -wie du schön schreibst- ausgeglichenes, zufriedenes Kind, welches sich auch mal etwas erarbeiten muss und gefordert wird.
Wir haben leider wenig Glück mit unserer Lehrerin. Sie ist -entschuldigt bitte den Ausdruck- eine totale Trantüte!
kaye
Dabei seit: 25.11.2009
Beiträge: 963
ok, dann schau, dass er unbedingt in diese Begabtenförderung gehen darf. Sag einfach, es sei einen Versuch wert, da Du ansonsten aus purem Leidensdruck alles andere in Bewegung setzen müsstest! und das stimmt ja auch. Lass dich nicht vertrösten, man kann auch unter dem Jahr in diese Stunden eintreten! Wenn die Lehrerin abblockt, gehe zur Schulleitung oder was immer.
Und zum anderen, entlaste deinen Sohn dadurch, dass du ihm zu verstehen gibst, dass er es sehr gut macht, so wie er es macht. Nämlich Pflichten schnell erledigen, egal wenn nicht sehr sorgfältig, damit er Zeit hat für Dinge die ihn wirklich interessieren. Gib ihm Futter dazu, soviel du kannst. Und passe die Regeln an ihn an. Ich weiss ja nicht, welche ihn besonders ärgern, aber wenn es zB. um Bildschirmzeit oder Bettzeit geht, lass ihm mehr Freiheit dabei, wenn er sie aktiv nutzt (zB. im Internet nachforscht, liest oder sonst irgendwie aktive Beschäftigung). Das kann auch eine Entlastung sein, wenn du nicht einfach nachgibst, sondern neue Regeln abmachst, die seine besondere Situation berücksichtigen.
tandia21
Dabei seit: 05.02.2008
Beiträge: 95
Hallo

Ihr macht das schon richtig,
zuerst das Gespräch mit der Lehrperson suchen, falls ihr so wirklich nicht weiterkommt sofort die Schulleitung einschalten.

Viel Glück.
Gelöschter Benutzer
Ich kann dir nur aus der Sicht des Kindes berichten, bei mir war die gleiche Diagnose wie bei deinem Sohn. Allerdings wurde die erst als Teenie gestellt, nachdem ich vor lauter Langeweile einfach nicht mehr zur Schule ging. Früher achtete man halt noch weniger auf solche Kinder.
Auf jeden Fall war ich 12 Schuljahre lange völlig unterfordert und erst 1 Jahr vor der Matur kam dann endlich "Hirnfutter". Den Frust dieser Jahre war unglaublich und ich war wohl auch zuhause eher schwierig...
Eine erneute Abklärung und daraufhin ein Gespräch mit der Lehrerin, inkl. Schulpsychologen, kann deinem Sohn also nicht schaden, du willst ihm ja damit helfen und neue Wege finden. Und wenn er dann damit in die Begabtenförderung kann, umso besser. Ich hätte mir damals mehr Hilfe von meinen Eltern gewünscht.
melli
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 03.01.2005
Beiträge: 780
Danke kaye! Deine Tipps sind wertvolle Inputs! Du hast den Nagel übrigens auf den Kopf getroffen. Häufig drehen sich die Diskussionen um Bildschirmzeit, Nachtruhe und seine Rastlosigkeit (er braucht immer Programm...). Oder dann auch um Regeln am Tisch - aber das hat wohl nichts mit dem anderen zu tun ;o).