Wir Lehrer sind doch in den meisten Fällen Lehrer geworden, weil wir als Schüler noch nicht fertig waren. Nicht selten bleiben wir "ewige Musterschüler, die nie erwachsen werden". Im Übereifer fällt uns gar nicht auf, dass man uns eigentlich zuerst einmal angestellt hat, damit die Planstelle besetzt ist. Der Planstelle gerecht zu werden, ist unser erster Auftrag. Dann kommt der Lehrplan, das ist unser Heiliges Buch; die Wirklichkeit hat keine Chance gegen die göttlichen Offenbarungen, die da drin stehen. Dann kommt die Unterrichtsvorbereitung für den wissenschaftlich abgesicherten Unterrichtsvollzug, dem schon einmal wir Lehrer uns unterwerfen müssen; da dürfte doch wohl klar sein, dass sich auch Schüler und Eltern zu unterwerfen haben. Auch wenn es nur um sich Fügen und willig mitmachen geht: wir nennen das dreist Lernen, und siehe da, es klappt vorzüglich. Schon LeBon sagte: "Das einzige anerkannte Beweismittel ist die freche und dreiste Behauptung."
Da wir ja nie Gelegenheit bekommen, selbständig zu denken und immer nur die neueste und beste Wissenschaft gedankenlos übernehmen, so kann ja der Fehler auch nie auf der Seite der noch über der päbstlichen Unfehlbarkeit stehenden Wissenschaft liegen und es MUSS immer irgendein Defekt oder sonstige Abnormität in untergebenen Reihen schuld sein, auch wenn sie nie gefunden werden.
Ich gebe zu, als Ich-kann-Schule-Lehrer bin ich etwas aus der Art geschlagen, aber das stört zum Glück nur wenige. Ich bräuchte nur irgendein Problem verursachen, dann würden die (leider nur noch) 25 Mütter der Schüler herumtelefonieren, als würden sie sonst in den Schuldturm geworfen, weil ihre Kinder sich nicht mit jedem Buchstaben untergeordnet und eingefügt haben. Am Ende zerstöre ich noch gewohnte Kommunkationsmuster! Problemelösen kann wirklich ungeahnte Folgen haben. Ich grüße herzlich.
Franz Josef Neffe
"Wenn ich Sie in dem Irrtum lasse, dass ich es bin, der Sie gesund macht, dann mindere ich Ihre Persönlichkeit!" Émile Coué