"Sinnvolle" Strafen in der Schule

Franz Josef Neffe
Dabei seit: 17.11.2006
Beiträge: 1021
Strafen sind DRUCKmittel.
DRUCK komprimiert Mensch + Problem. Das ist das exakte Gegenteil von LÖSUNG.
Mit DRUCK lassen sich Kräften nur schlecht lenken. Der Bauer weiß das; drum spannt er die Pferde nicht hinter sondern VOR den Wagen.

Wenige Tage vor Schulende, nachdem die Bücher eingesammelt waren, mochten sich die Kinder gar nicht beruhigen auf mich hören. Da ging ich hinaus vor die Tür. Ich hörte, wie sie für Ruhe sorgen wollten, wie sie das von Lehrern gelernt hatten: "Jetzt seid doch einmal still! - Sei ruhig, Du störst! - Nein, Du störst! - ....." Das Lehrerspielen erschöpfte sie und sich.
Nach fünf Minuten wurde es still. Eine Weile drauf hörte ich, wie jemand ein Buch aus der Klassenbibliothek genommen hatte und reihum vorgelesen wurde. Wieder eine Weile später ging die Tür auf. Ein Mädchen fragte: "Herr Neffe, wann kommen´s denn wieder?" - "Das siehst Du schon."
Es war schon über eine halbe Stunde um, da teilten sie die Kirchenliederbücher aus. Als sie "Meerstern, ich Dich grüße. O, Maria hilf" anstimmten, bin ich dann doch hineingegangen und wir haben uns miteinander bewusst gemacht, was sie sich alles ALLEIN ERSCHLOSSEN hatten. Durch Unterricht wäre das nie in der originalen Qualität möglich gewesen. Sogar für mich war es ein Schlüsselerlebnis. Noch heute bin ich deswegen von meinen Schülern begeistert.
Strafende Lehrer, ist mir aufgefallen, haben nur sehr selten Schlüsselerlebnisse.

In der neuen Ich-kann-Schule sind sich alle bewusst, dass die Probleme nur mit den Kräften & Talenten gelöst werden können, die der Mensch dafür hat. Strafen sind kein guter Umgang mit Kräften & Talenten. Strafen wagen wir auch immer nur gegen Menschen, die in der Hierarchie UNTER uns stehen und sich (noch) nicht dagegen wehren können. Wer hat schon je seinen Chef dafür bestraft, wenn er was vergessen hat?
Wenn wir strafen, verfestigen wir ein Hierarchiemodell, in das auch wir eingebunden werden. Strafe ist keineswegs der intelligenteste Umgang mit Talenten. Ein Geschäftsmann, der seine Ware mit Strafen verkaufen wollte, würde keine Geschäfte machen.

Es erstaunt mich doch, dass heute alle außer den Pädagogen wissen, wie man seine Sache verkaufen kann. Es erstaunt mich als Ich-kann-Schule-Lehrer, dass wir das von allen erwarten, nur von Pädagogen nicht. Ich kenne niemand, der akzeptieren würde, dass ihn sein Automechaniker oder der Bäcker bestraft. Vom Lehrer wird es selbstverständlich hingenommen als lebten wir noch in Zeiten der Leibeigenschaft. Das ist doch bemerkenswert.

Ich grüße freundlich.

Franz Josef Neffe

"Wenn ich Sie in dem Irrtum lasse, dass ich es bin, der Sie gesund macht, dann mindere ich Ihre Persönlichkeit!" Émile Coué
carola
Dabei seit: 07.01.2002
Beiträge: 643
der sohn einer kollegin musste, nachdem er wiederholt im musikunterricht gestört hatte, spontan in einer anderen klasse auf einen tisch stehen und "vom himmel hoch, da komm ich her" singen...
der lehrer begründete die strafe damit, dass der junge anscheinend aufmerksamkeit wolle. die könne er nun mal ganz ungeteilt haben.
einerseits find ich die strafe schon etwas grenzwertig, das kann man sicher nicht mit jedem kind machen. andererseits find ich es eine kreative art, einem störefried eine lektion zu erteilen. der bezug der strafe zum vergehen ist jedenfalls direkter, als wenn einer stumpfsinnig hüseli ausmalen muss.
KlaraM
Dabei seit: 01.03.2013
Beiträge: 1770
@Carola

Den finde ich übelst. Der Lehrer sollte die Hausregeln abschreiben. Da steht sicher drin: "Wir begegnen einander mit Respekt."


@Schmetterling03

Das tönt nicht optimal, sieht aber manchmal in der Situation anders aus. Unglücklich ist sicher die Idee mit der Abstimmung. War vielleicht gut gemeint, aber spätestens beim Barbie-Thema müsste die LP eingreifen.

Manchmal ist es auch einfach klug, nichts zu machen (an deiner Stelle meine ich) und dem Kind zu sagen: OK, schau, das ist nicht ganz fair, aber manchmal ist das halt so. Es ist auch nicht so schlimm und manchmal muss man mit sowas leben. Es ist im Interesse aller, dass sie zum Schulalltag zurückkehren und nicht zu viel Zeit und Energie mit dem Drumherum verpuffen. Schon gar nicht bei zwei Wochenlektionen.
Katinka
Dabei seit: 29.08.2002
Beiträge: 752
@KlaraM: Wieso ist die Strafe, die Carola beschrieben hat, daneben? Und wieso gilt das respektvolle Miteinander nur für den Lehrer, muss sich der Lehrer alles gefallen lassen von seinen Schülern? Sie schreibt ja, dass der Sohn der Kollegin mehrfach den Unterricht gestört hat, ist das respektvoll gegenüber Lehrer und Mitschülern??

Also ich finde das Barbie-Thema nicht schlimm, klar hätten meine Jungs auch aufbegehrt, aber ich hätte sie den Aufsatz schreiben lassen.

Sonst habe ich kaum Erfahrung mit Strafen in der Schule, kommt bei uns nicht oder seeehr selten vor, ich glaub bei meinem Aeltesten in 9 Jahren 2x und da waren es Strafen für die ganze Klasse und das fand er jeweils auch ungerecht, da er nie dabei war, es wäre mir aber nie in den Sinn gekommen, reklamieren zu gehen. Bei den anderen Zweien, mag ich mich nicht erinnern, dass sie mal Strafaufgaben hatten.
carola
Dabei seit: 07.01.2002
Beiträge: 643
KlaraM: wo siehst du genau die respektlosigkeit bei der vorsing-strafe? ist doch auch nichts anderes, als ein vortrag halten. einfach spontaner. der bub ging übrigens in eine musikklasse.
KlaraM
Dabei seit: 01.03.2013
Beiträge: 1770
Vorträge werden in der Regel nicht auf dem Tisch gehalten. Wenn ihr den Unterschied nicht seht zwischen einem Vortrag und der von Carola beschriebenen Strafe, die sie ja selber als "Denkzettel" bezeichnet, nun denn.

@Katinka

Es ist nicht dasselbe, ob ein Schüler frech zu einem Lehrer ist, oder ob der Lehrer den Schüler vor der Klasse blossstellt. Ausserdem ist einer hier der Erwachsene und sollte sich entsprechend verhalten. Ich sage ja nicht, dass der Schüler ungestraft davon kommen soll, aber auch bei einer Bestrafung haben Schüler Respekt verdient. Respekt hat auch damit zu tun, die Integrität des andern zu respektieren. Wenn er nicht gerade ein kleiner Sängerknabe war, dann war ihm die Strafe sicher sehr peinlich. Vor den andern, die Mitschüler werden instrumentalisiert. Nein, der Lehrer sollte Vorbild sein im Lösen von Konflikten. Das ist aber eine Machtdemonstration und eine Ridikülisierung des Schülers. Nein, nein und nochmals nein.

[Dieser Beitrag wurde 1mal bearbeitet, zuletzt am 02.12.2013 um 17:25.]
kaye
Dabei seit: 25.11.2009
Beiträge: 963
Ich finde, das geht GAR nicht, dass die anderen Kinder die Strafe ausdenken/festsetzen. Das ist ganz übelst. Wir hatten in der 3. Primar mal dieses System, und die meisten Kinder waren total eingeschüchtert von der Möglichkeit, so eine Strafe zu kriegen. Meine Tochter ist weinend nach Hause zurückgerannt, wenn sie merkte dass sie (vielleicht) etwas vergessen hatte. Das hat schlussendlich auch zu Mobbing und generell einem sehr schlechten Klima in der Klasse geführt. Ich finde, der Lehrer soll die Strafe festlegen, und kein Kind damit blosstellen. Es gibt nun mal Kinder, die zB. häufiger was vergessen als andere. Die Strafe ist schon Strafe genug.
Universum
Dabei seit: 13.05.2013
Beiträge: 1515
genau kaye, ist mir auch in den Sinn gekommen. Das ist ja regelrechte Anleitung zum Mobbing! Unglaublich was es nicht alles gibt!! Abschluss im Lotto gewonnen oder was?!

Versprich nichts, wenn Du glücklich bist.
Antworte nicht, wenn Du wütend bist
und triff keine Entscheidungen wenn Du traurig bist.

Autor unbekannt.
GabrielaA
Dabei seit: 18.10.2002
Beiträge: 5446
Ich war etwa in der 3. oder 4. Klasse, als wir vor dem Unterricht im Klassenzimmer blödelten. Wir kämpften mit Linealen. Leider schlug ich einem Jungen versehentlich auf die Finger. Er weinte, und ich entschuldigte mich. Er bemerkte, dass es ein Unfall war und wollte es der Lehrerin nicht erzählen.

Ein anderer ging zu ihr und erzählte es ihr. Sie sah sich nur den blauen Finger an und wurde wütend. Sie fragte weder ihn noch mich, was passiert war. Ich musste mich zuhinterst in die Klasse setzen. Alle andern durften mit dem/der besten Freund/in zusammensitzen. Mir sagte sie immer wieder, wie böse ich doch sei, dass so jemanden wie mich, niemand wollte. Während die Klasse Spiele spielen durfte, musste ich den ganzen Schulhalbtag lang schreiben, durfte nicht in die Pause. Am Ende der Stunde meinte sie, die Strafe wäre vorbei, und es würde unter uns bleiben. Am selben Abend rief sie meine Mutter an und erzählte ihr alles.

Meine Mutter wollte dann noch meine Version hören und fand, dass ich genug bestraft worden sei, vorallem da es ein Unfall war.

Ich fand das extrem fies von der Lehrerin. Bis dahin hatte ich sie wirklich sehr gemocht, doch nach diesem Vorfall vertraute ich ihr nicht mehr, und viele andere auch.

Oder: Wir hatten jeweils in einem andern Schulhaus Turnen. Der Weg dorthin waren etwa 7 Minuten. Wir schwatzten halt auf dem Weg und zogen uns nicht so schnell um. Die Lehrerin fuhr jeweils mit ihrem Auto hin. Wenn sie vor uns umgezogen in der Turnhalle bzw. im Schulzimmer war, bekamen wir eine Stunde arrest. So standen wir immer unter grossem Druck, wenn wir sie mit dem Auto an uns vorbeifahren sahen. Sie verliess übrigens das Schulzimmer zur gleichen Zeit wie wir.

Mit solchen Aktionen schaden sich Lehrer mehr, als sie mit Strafen bewirken sollen.Strafen sollten immer etwas bewirken. Das ist im erwachsenen Leben genauso. Wenn ich zu schnell fahre, bekomme ich eine Busse. Werde ich beim Rasen erwischt, wird mein Führerausweis entzogen, es gibt ein Verfahren und evtl. wird mein Auto beschlagnahmt. Das soll dazu führen, dass ich mich künftig an die Verkehrsregeln halte.

Aber ein Kind vor einer ganzen Klasse bloss zu stellen oder die andern eine Strafe ausdenken zu lassen, finde ich nicht korrekt. Ist jemand besonders beliebt, deckt ihn vielleicht die Klasse. Einer, der eh nicht so beliebt ist, dem gibt die Klasse vielleicht extra eine blöde Strafe.
linlar*
Dabei seit: 01.11.2007
Beiträge: 982
Hm zum Thema "sinnvolle Strafen": Bei meinem Sohn in der Klasse (5.) "dürfen" die Kinder als Adventskalender jeder an einem Tag vorlesen...

Ok, dies sollte zwar keine Strafe sein, aber für viele Kinder ist es dies eher als eine Belohnung...

Leben und leben lassen