Ob dein Sohn ADS hat oder nicht, dass kann ich nicht beantworten, ich bin nicht Arzt und kenne deinen Sohn nicht. Ich kann höchstens von den Erfahrungen mit meinem Stiefsohn berichten. Du hast ein paar Dinge aufgezählt, die mich wieder an Situationen von früher erinnern.
Der Junge wollte Dinge alleine erledigen. Unsere Hilfe verweigerte er, weil er sich dadurch bevormundet resp. nicht ernst genommen fühlte. Er hat es dann vergessen oder nicht korrekt ausgeführt und die Konsequenzen waren teils fatal. So hat er ein Pfadilager verpasst, da er den Anmeldetalon nicht ausgefüllt hat. Unsere Hilfe verweigerte er.
Er kam einmal mit einem fast leeren Koffer in den Urlaub. Während dem Packen hat er gemerkt, dass SEIN Koffer zu klein ist, hat einen grösseren genommen, einen Teil umgeräumt und dann trotzdem den kleineren zum Auto gebracht. Wir haben uns gewundert, weil er so leicht und leer wirkte und nachgefragt, ob er wirklich alles dabei hat, ob wir nicht kontrollieren sollen. Er fühlte sich wieder nicht ernst genommen, tobte und so packten wir halt einen fast leeren Koffer ein.
Wir waren auch lange der Meinung, er würde aus den Konsequenzen lernen.
Gleiche Situation, als er ins Skilager fuhr. Man musste in der Klasse eine Kleidersammlung durchführen, damit der Junge ein paar Kleider zum Wechseln hatte. Er wollte selbständig sein, schaffte es aber nicht. Ich finde das sehr demütigende und traurige Situationen. Ich weiss bis heute nicht, was in jenen Momenten wirklich in ihm vorging. Er heulte und jammerte viel, verweigerte aber eine Lösungsfindung. Schuld waren immer die anderen.
Irgendwann war es die Klasse müde, immer Verständnis zu haben und seine Taten auszubaden oder zu tolerieren.
Andererseits bewunderte ich ihn, wie er das beste aus missglückten Situationen machte. Er bestieg den falschen Zug oder verpasste den Zielbahnhof. Er hat aber immer irgendwie zu uns gefunden
Sein Handy war ständig verloren oder kaputt. Auch Geld hatte er selten. Er fand immer Leute, die ihm weiterhalfen.
Ein solcher Alltag ist aber anstrengend. Entsprechend erschöpft war er. Kaum im Auto schlief er ein. Egal um welche Tageszeit.
Notenmässig war er in der Schule lange Zeit bei den besten. Hausaufgaben hat er während Jahren keine gemacht. Trotz ganz vielen Abmachungen und Massnahmen. Wenn der Stoff gut vermittelt wurde, dann musste er nie für Prüfungen lernen.
In der Oberstufe funktionierte diese Taktik nicht mehr, da viel Stoff auch selbst erarbeitet und gelernt werden musste und das konnte er nicht, hat er eben auch nie gemacht. Entsprechend schlecht wurden die Noten. Gleichzeitig war ihm langweilig. Er war unterfordert, konnte aber trotzdem spannende Aufgaben nicht lösen.
Er war nicht der aggressive sondern der lustige Schüler. Seine Kapriolen galten als willkommene Abwechslung. Daher sah man wohl lange keinen Handlungsbedarf. Bis Oberstufe, da begann es zu nerven.
Und erst da machte man die ADS-Abklärung. Zusätzlich wechselte er in eine Sonderschule mit kleinen Klassen, strikter Tagesstruktur und richtiger Ernährung. Das war seine Chance.
Er nahm auch ein paar Monate Ritalin und bemerkte selber einen Unterschied. Dank Ritalin konnte er strukturierter Denken und Handeln. Und diese Erfahrung hat ihm gereicht zu erkennen, dass er sein Verhalten ändern muss. Die Pubertät hat sicher auch noch vieles bewirkt.
Er hat sich lange gegen die Diagnose gewehrt. Glaubte an eine Intriege, Mobbing. Die Schule brauche jetzt einfach ein schwarzes Schaf, anstatt dass die Schule zu ihren Fehlern stehe. Heute sieht er ein, dass dem nicht so war.
Vilu, man muss Kinder nicht mit Abklärungen und Therapien plagen. Ich bin aber immer dafür, wenn es Eltern und Kinder beruhigt, einfach mal mit einer Fachperson zu reden und nach Antworten zu suchen, dann soll man es tun. Vielleicht ist es nicht ADS, vielleicht braucht es ein paar Tricks, vielleicht hört er nicht gut, vielleicht braucht er nur ein paar Hilfestellungen, wie er das Zeitmanagement besser in Griff bekommt.
Hauptsache man tut was, damit die Gedanken und Ängste wieder zur Ruhe kommen. Man kann auch nach einem ersten Gespräch erkennen, dass keine weiteren Termine nötig sind.
Und vielleicht kannst auch nur Du und/oder dein Mann Kurse oder eine Therapie besuchen, um Infos zu erhalten, wie du deinem Sohn helfen könntest.
Gruss SW, auf die man auch immer warten musste
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut (und Phantasie), Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.