Was sind das für Jungs..

taraxacum
Dabei seit: 27.01.2004
Beiträge: 1317
@fjn

Ich gebe dir recht: Druck erzeugt Gegendruck

In folgendem Punkt bin ich anderer Meinung:
Ein richtiger Profi weiss, dass er den Lösungsweg NICHT kennt.

Denn genau daher, da wir den Eindruck haben, den Lösungsweg zu kennen, üben wir Druck aus. Druck, dass der Junge (oder wer auch immer) genau diesen Weg gehen muss. Doch mit grösster Wahrscheinlichkeit ist sein Weg ein anderer.

Wisse immer was du sagst, aber sage nicht immer, was du weisst.
smaragd*
Dabei seit: 17.08.2010
Beiträge: 426
Und, wie wars am Elternabend?
bubble36
Dabei seit: 31.01.2003
Beiträge: 730
@Taraxacum

eine Frage an dich als Expertin

grundsätzlich gebe ich dir vollkommen recht. Menschen müssen respektiert werden, und "solche Jungs" brauchen in erster Linie mal Hilfe. (od. Erziehung)

Wie schätzt du die Chancen ein, wenn mit solchen Kindern intensiv gearbeitet wird, dass ein solches Kind "nett" wird? Wenn geübt wird, Strategien entwickelt werden, Gespäche geführt.
Das ist alles toll und löblich, aber ist nicht alles für die Katz, wenn diese Jungs in ihrem Umfeld nicht an diesen Strategien arbeiten können und das Umfeld halt auf andere Weise reagiert? Ein Kind in diesem Alter orientiert sich doch stark am Umfeld, und das erstrebenswerte ist bestimmt nicht das was es in der Schule lernt. Gut vielleicht in einzelnen Fällen, ist das Kind einsichtig und stark? genug sein Verhalten zu ändern.

Ich frage mich, müsste nicht mit den Eltern hart gearbeitet werden, sie in die Pflicht genommen werden? Bestimmt sagst du, dass die Eltern einbezogen werden, aber wie kann man das garantieren, dass sie einsichtig sind?

Das interessiert mich wirklich. Wenn mit Jugendlichen gearbeitet wird, ist die Erfolgschance auf Einsicht ev. höher. Aber bei jüngeren?
Smile79
Dabei seit: 07.04.2009
Beiträge: 2397
bubbel

frage ich mich auch... vorallem, wenn man das opfer ist... man kann ja nicht, an die vernunft und auf dessen minderwertigkeitsgefühl eingehen?

die begrenzten möglichkeiten einer mutter, sind eigentlich nur die, ihr kind zu stärken, doch wie?
bubble36
Dabei seit: 31.01.2003
Beiträge: 730
@Smile79

wenn man das Opfer ist... ? Dann finde ich sollte man Mutter und Kind unterstützen. Vor allem die Mutter, denn die ist, wie FJN sagt der Sender. So unrecht hat er nicht!
Daher sollte sie auch an sich arbeiten, und Lösugen suchen. Da sehe ich aber mehr Potenzial, denn die möchten ja was ändern.

Bei den "Tätern, ist doch aber schon viel "verloren" wenn Eltern nicht mitziehen, oder sie andere Ansichten bezüglich unserem Werte- und Respektssystem haben.
Vilu
Dabei seit: 18.07.2002
Beiträge: 2006
Grad gestern ist mein Sohn nach Hause gekommen und hat gesagt, sein "Kollege" (fast 1 Kopf grösser) hätte ihn verkloppt, an den Kopf und auf den Oberkörper gehauen. Wegen einem kleinen Stein!

Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass Jungs in diesem Alter - grad wenn sie körperlich so früh entwickelt sind und vor allem gross und kräftig - sich gar nicht bewusst sind, dass sie mehr Kraft haben als eben erst noch und diese Schläge auch gefährlicher und schmerzhaft sind.

Mir scheint dieser Bub nämlich sonst nicht sonderlich "bös" oder aggressiv.

Leben und leben lassen
taraxacum
Dabei seit: 27.01.2004
Beiträge: 1317
@bubble36

Es ist ganz klar, dass idealerweise die Eltern "einsichtig"sind und die Arbeit mit dem Kind unterstützend begleiten. Genau so klar ist es, dass viele Eltern nicht gewonnen werden können, da sie selber die Einsicht nicht haben. Das Verhalten des Kindes wird als "normales Buben-Kräftemessen", als "ein rechter Junge zeigt seine Kraft" oder ähnliches bezeichnet.

So zeigt sich denn auch die Problematik, mit "diesen Jungs" ins Gespräch zu kommen und mit ihnen arbeiten zu können.

Vordergründig sind sie die Macker und starken Kerle. Niemals würden sie sich eingestehen, dass sie sich gegen die Regeln verhalten. Sie sehen es als ihr Grundrecht, ihre Bedürfnisse mit Worten und Fäusten einzufordern.
Tatsache ist, dass diese Jugendlichen massive grundlegende Defizite haben (ich verallgemeinere der Einfachheit wegen):

- sie kennen nur zwei Gesichtsausdrücke: neutral und wütend
- sie kennen, dass das Einfordern von Rechten mit Gewalt geschieht (sie erfahren zu Hause Gewalt)
- echt gemeintes Lob kennen sie nicht
- ihre Familie ist sozial nicht/kaum integriert
- sie haben schulische Defizite
- sie haben kaum Selbstwert
- sie haben ein ungenügendes Bindungsverhalten zu den Eltern
-...

Wenn ich mit "diesen Jungs" arbeiten kann, sind für mich folgende Dinge wichtig:
- ich nehme sie als Menschen ernst
- ich respektiere ihre "Geschichte" und nehme diese ernst
- ich verurteile ihr Verhalten
--> ja, sie haben schon vieles erlebt, wofür sie nichts können - für ihr Verhalten aber, können und müssen sie die Verantwortung übernehmen.

Entsprechend arbeite ich mit ihnen:
- lernen von Emotionen (Gesichter erkennen)
- aufarbeiten ihrere Geschichte, Trost geben, Zuhören, Vertrauen schaffen
- das Aufarbeiten schafft direkte Verbindungen zu ihrem Verhalten. Wenn sie diese Zusammenhänge erkennen, werden sie handlungsfähig
- erarbeiten von Strategien, wie sie diese Handlungsfähigkeit umsetzen können (Antiagressionstraining, Arbeit mit kognitiven Verzerrungen,...)

Ich plädiere dafür, dass ein unterschwelliges Angebot in der Schule/Gemeinde vorhanden ist. Schulsozialarbeit wäre die Anlaufstelle, meine Erfahrung ist jedoch die, dass diese Stellen "zu wenig hart/konsequent" sind. Vielleicht fehlt ihnen auch das nötige know-how, ich weiss es nicht. Es ist jedoch klar, dass "diese Jungs" schlicht überfordert sind, sie befinden sich in einem luftleeren Raum. Sie benötigen enge Grenzen, eine enge Begleitung.
Wenn ich mit ihnen arbeite, befinden sie sich bereits in einem Zwangskontext - sie sind verpflichtet. Meine Erfahrung ist, dass der Widerstand zu Beginn recht gross ist. Wenn ich dem Gegenüber zu verstehen gebe, dass ER/SIE mir wichtig ist, dann bröckelt der Widerstand recht schnell. Anschliessend wird eine spannende Arbeit möglich.

Und klar - es gibt auch die, bei denen "Hopfen und Malz" verloren ist. Die uneinsichtig sind. Die unverbesserlich sind.

Du fragst betreffend dem Einfluss des Umfeldes: die Peers sind die wichtigsten! Doch "diese Jungs" lernen abzuschätzen, ob sie diesen Umgang weiter pflegen können oder ob sie ihn besser meiden. Bis anhin waren sie durch die Peers stark - das Ziel ist, dass sie durch sich stark sind icon_smile.gif.

(Verallgemeinert) Auf Elternseite würde ich mir wünschen, dass jedes Kind mit all seinen Stärken und Schwächen ernst genommen wird. Dass kein Kind einer Form von Gewalt ausgesetzt ist. Das Eltern den Mut haben, ihrem Kind Grenzen zu setzen. Das Eltern den Mut haben, ein Verhalten des Kindes zu verurteilen. Dass die Meinung des Kindes gehört und ernst genommen wird. Das jedes Kind eine liebevolle, ermutigende und Grenzen setzende elterliche Begleitung erleben darf.

(Verallgemeinert) Von Schulseite her wünschte ich mir engere Strukturen im Schulalltag. Engere Zusammenarbeit mit Begleitpersonen für auffällige Kinder.

Man mag sich jetzt fragen, warum ich mich so auf die "Täter"-Seite stelle. Ich schätze die herausfordernde Arbeit mit ihnen. Es ist mir ein Anliegen, eine Veränderung bei diesen Personen hervorrufen zu können, damit sie keine neuen Opfer generieren. Ich denke, dass ich da einen Einfluss haben kann, den Kreislauf zu unterbinden.

Wisse immer was du sagst, aber sage nicht immer, was du weisst.
Smile79
Dabei seit: 07.04.2009
Beiträge: 2397
@taraxcum
du machst mir angst... ich dachte, dass "emozionen nicht ab gesichter "lesen" können" , sehr selten vorkommt.

sorry, was sind das für eltern, die sowas bei ihrem kind nicht bemerken? die basis jeder gemeinschaft ist doch, sein gegenüber "wahr" zu nehmen.
monster
Dabei seit: 14.01.2003
Beiträge: 385
taraxacum:

Es heisst "niederschwelliges Angebot"! Unterschwellig hätte ja etwas mit manipulieren zu tun und das tun NIEDERschwellige Angebote nicht, also sollten sie nicht icon_wink.gif


Exgüssi, aber ich arbeite in einem niederschwelligen Bereich... Da bin ich etwas sensibilisiert. Komischerweise höre ich das Wort "unterschwellig" häufig im Zusammenhang mit Schule und SSA, ich weiss nicht wieso.

Ach wie gut, dass niemand weiss, dass ich ... heiss! icon_razz.gif


Ach wie gut, dass niemand weiss, dass ich ... heiss! :-P
taraxacum
Dabei seit: 27.01.2004
Beiträge: 1317
@monster

Natürlich heisst es niederschwellig - mein Fehler, sorry!! Nein, das Angebot soll definiv NICHT unterschwellig sein icon_smile.gif......niederschwellig = leicht zugänglich....habe ich gemeint.
In welchem Bereich bist du tätig?

@Smile79

Es geht nicht um einen Verurteilung der Eltern - möglicherweise haben auch sie nie gelernt, verlernt oder aus Erfahrung umgelernt welche Differenziertheit ein Gesichtsausdruck haben kann.

Ich glaube, es ist eine Herausforderung für sich, das Gegenüber so wahr zu nehmen, wie es ihm gerade geht. Wir sind Perfektionisten im Verbergen unserer Gefühle, im Zeigen von Unbeteiligung oder Desinteresse - die Emotion, die dahinter steckt, bleibt oft verborgen. So wie der "Ausdruck-Zeigende" sich seiner Emotion oft nicht bewusst ist, so "unklar" zeigt er sie in seinem Gesichtsausdruck und so schwierig ist es für den "Ausdruck-Lesenden" diesen richtig zu interpretieren. Und so gibt es viele Kinder und Erwachsene, die Gesichtsausdrücke oft nicht richtig interpertieren können. Ich schliesse mich da mit ein. Doch ich bin eine erwachsene Person und habe gelernt, dass es unterschiedliche Formen gibt - Kinder und Jugendlichen haben das z.T. (noch) nicht gelernt.

Ich glaube, da sind wir alle aufgefordert, sensibler miteinander umzugehen.

Wisse immer was du sagst, aber sage nicht immer, was du weisst.