Die Uneinigkeiten der Schuldfrage von oben hängen möglicherweise auch mit etwas einseitigen Betrachtungen zusammen. Die lesen sich dann als denkbare Irrtümer so:
„In einer guten Ehe geht keiner fremd.“
„Geht einer fremd, stimmt die Beziehung nicht.“
„Und passiert genau das, dann gibt’s Schuldige und Opfer.“
Ohne jetzt den Thread unnötig komplizieren zu wollen, stelle ich den denkbaren Irrtümern keine Lösungen, sondern schlicht andere Thesen gegenüber, die sich im Alltag als Realitäten beweisen:
„Auch in guten Ehen kommen Menschen auf neue Ideen und erliegen Versuchungen. Sind keine Versuchungen in Sicht, werden sie eben geschaffen. Ein Mangel an Gelegenheiten ist noch keine Treue, sondern eben nur eine zufällig entstandene gefahrenfreie Zone.“
„Geht einer fremd, muss das mit der Kernbeziehung nicht allzu viel zu tun haben, sie kann aber (erst in der Folge) tatsächlich schwieriger werden.“
„Passiert genau das, geht’s weniger um Schuldfragen, Motive wären wichtiger. Motive schaffen Täter und Komplizen – beide bewegen sich temporär ausserhalb der Ehe.“
Was ich damit sagen will: Die Vermutung „In einer guten Ehe geht keiner fremd.“, greift zu kurz. Weil sie menschlichen Wünschen, Strömungen und Motiven keine Rechnung trägt. Weil sie die kirchliche Vertragsklausel „...bis dass der Tod Euch scheidet.“ widerspruchslos für möglich und als Versprechen von Menschen für umsetzbar hält.
Ich wollte nichts komplizieren, deshalb kürze ich ab und stelle mir einfach andere Fragen:
- Ist Monogamie eine kirchliche Vorgabe, ein menschliches Ziel oder schlicht ein schwer einzuhaltendes gesellschaftliches Korsett?
- Die Motive fürs Fremdgehen sind schon hinlänglich definiert worden. Gibt’s denn auch Motive fürs Nicht-Fremdgehen-Wollen?
- Falls ja, liegen diese Motive in einer guten Beziehung oder möglicherweis mehr in der verankerten Zufriedenheit des Einzelnen oder in beidem oder ganz anderswo?
Müsste doch zu knacken sein, diese gefragte Nuss. Schliesslich sind wir alle in Bezug auf unsere eigenen Motive, Wünsche und Strömungen Fachleute. Keiner steht uns näher als wir uns selbst.
[Dieser Beitrag wurde 1mal bearbeitet, zuletzt am 16.06.2012 um 15:23.]