@mosaik
Aufrichtigkeit ist auch für mich eine der wichtigsten Tugenden. Verlässlichkeit kommt dazu und die Fähigkeit, anderen zu vertrauen. Aufrichtigkeit ist etwas, das von mir selbst ausgeht, das ich ausübe, um mir damit das Vertrauen der Mitmenschen zu erhalten. Ich erwarte das auch von meinen Mitmenschen und schenke ihnen deshalb Vertrauen. Ich gehe also grundsätzlich von einem positiven Menschenbild aus. Diese Haltung versuche ich meinen Kindern zu vermitteln. Sie sollen ehrlich sein und von den Mitmenschen Gutes denken. An das Gute glauben, ohne es zu überprüfen. Sich den Mitmenschen gegenüber so verhalten, wie sie wünschen, dass sich andere ihnen gegenüber verhalten.
Wenn jetzt ein Kind mal nicht die Wahrheit sagt, merken wir Eltern doch in der Regel recht schnell, dass etwas nicht stimmt. Dann gehe ich im Gespräch darauf ein, äussere MEINE Sichtweise und wie das auf mich wirkt, wie das für mich ist, wenn ich diese Unsicherheit spüre. Das Kind kennt ja die Wahrheit, also ist es absolut unnötig und entwürdigend, wenn ich jetzt hingehe und Beweise suche, um zu sagen: "Siehst du, ich hatte Recht und du hast gelogen." Ich gebe ihm lieber zu verstehen, warum es wichtig ist, das Vertrauen der Mitmenschen zu erhalten. Wie wichtig es ist, sich auf andere verlassen zu können ohne den Drang zu verspüren, die Ehrlichkeit nachprüfen zu müssen. Vertrauen ist, wenn man diesen Drang nicht verspürt. Der Nachdenkensprozess beim Kind setzt auch ein, ohne dass ich es blossstelle. Es soll ehrlich sein, weil es versteht, wie wichtig und schützenswert Vertrauen in Beziehungen ist, nicht weil es Angst hat, andernfalls erwischt, bestraft oder blossgestellt zu werden.
Insofern haben wir tatsächlich eine andere Lebenseinstellung. Nicht was Ehrlichkeit angeht, sondern wie es funktioniert.
Das ist hier genauso. Wenn Pitsch die SMS sehen will, signalisiert er seiner Frau, dass er ihr nicht vertraut, ihrem Wort und Verhalten misstraut. Dadurch würde die Beziehung massiv erschüttert. So wie er sie bisher angesprochen hat, heisst das bloss: "Hey, ich fand das irgendwie komisch. Muss ich mir Sorgen machen?" Dass er sie darauf ansprechen kann, zeugt von Vertrauen. Er muss ihr allerdings jetzt glauben, sonst ist die Frage eh sinnlos. Vertrauen, nicht kontrollieren.