Abstimmungsresultate und deren (Falsch-)Interpretation

warum
ThemenerstellerIn
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Ich staune gerade darüber, wie unsere Stimmen interpretiert werden. Wie geht es euch? Ich habe auch bei allen Vorlagen nein gesagt. Warum?

Managed Care: Ich finde es gut, wenn Ärztenetzwerke gebildet werden, aber ich will als Patient nicht dazu gezwungen werden, nur einem davon anzugehören.

Staatsvertragsinitiative: Ich bin nicht zu dumm, um zu verstehen worum es geht! Aber für alle, die mit der Schweiz Staatsverträge haben, ist es schon schwer(fällig) genug, so wie es ist. Wenn jedes Mal das Volk befragt werden müsste, gäbe es gar keine Staatsverträge mehr, und das will ich nicht.

Bausparinitiative: Der HEV nennt es "ein Geschenk an die Mieter". Warum sollten die uns was schenken? Die Bausparinitiative wäre etwas für Reiche. Möglicherweise gibt es auch unter den Reichen Mieter icon_lol.gif
Malaga1
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Und ich staune, was für Blödsinn von den Politikern erzählt wird. Ich arbeite seit fast 10 Jahren im Bereich Managed Care, zuerst auf Krankenkassenseite, jetzt auf Ärzteseite und ich wahr bin als erstaunt, was für Blödsinn von der Gegnerseite ständig behauptet wurde und von den Medien kritiklos aufgenommen wurde. Gerade auch das "nur einem Ärztenetzwerk angehören" ist kompletter Schwachsinn. Irgendjemand hat behauptet, dass man nur Spezialisten aufsuchen könnten, die dem selben Netz angehören, dem auch sein Hausarzt angehört? Hä? Völliger Schwachsinn aber es war unmöglich, diese Argumentation zu korrigieren. Oder die meisten meinten, sie müssten dann irgendeine grosse Gruppenpraxis aufsuchen, die in der nächsten Stadt liegt. Komplett falsch...

Was mich am meisten beschäftig ist, dass ich stark annehmen muss, dass bei Vorlagen, bei denen ich mich weniger gut bzw. nicht auskenne, nicht weniger Blödsinn erzählt werde, nur merke ich es dort nicht... Das weckt bei mir schon gewisse Fragezeichen nach dem Sinn der direkten Demokratie.
Smile79
Dabei seit: 07.04.2009
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letztens im tv.... der moderator fragte, was mehr gewichtet.... volksentscheid oder menschenrecht... ?!?..... da habe ich den tv abgestellt.
(ist ein anders thema als die gestrigen vorlagen...)

sowas ist peinlich und beschämend....icon_redface.gif und macht mich wütendbanghead.gif

da frage ich mich auch.... ob politiker (parteien) ihren job auch wahrnehmen?
welche interessen wirklich vetreten werden?

bei der gestrigen abstimmung habe ich nicht gewählt, weil ich mir keine meinug dazu gebildet hatte.

warum
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 27.01.2012
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@Malaga1:
Was sonst war denn Inhalt der Managed Care Vorlage?
Malaga1
Dabei seit: 01.12.2007
Beiträge: 521
Auch wenn ich das Thema nicht mehr hören kann....

- Managed Care od. integrierte Versorgung beruht auf einem Vertrag zwischen Ärztenetz und Versicherung (Listenmodelle werden deklassiert, Macht der Kassen wird REDUZIERT. Heute braucht es kein Vertrag, was für die Ärzteschaft v.a. die Hausärzte nachteilig ist. Diese Verträge werden ja verhandelt und den Ärzten nicht einfach von den Kassen aufgedrückt. Glaube mir, ich kenne beide Seiten...)
- Das Ärztenetz übernimmt eine BudgetMITverantwortung (und kein Globalbudget wie ständig behauptet wurde. Das ist ein riesengrosser Unterschied. Diese Budget wird nicht ausbezahlt. Es ist eine Art Kontokorrentkonto im Hintergrund. Es gilt für das ganze Ärztenetz und niemals für einen einzelnen Arzt. Die Gewinn- und Verlustmöglichkeiten sind klar beschränkt.)
- Kassen dürfen keine eigenen Praxen und Netzwerke besitzen und betreiben (betrifft v.a. SWICA, Concordia und Sanitas) - wäre aus meiner SIcht sehr wichtig gewesen. Man kann nicht gleichzeitig finanzieren und behandeln. Genau so ist es in den USA, was kein sehr gutes Bsp. ist
- Differenzierter Selbstbehalt:
- MC-Modell: 10% SB, max. CHF 500.– p.a. -
- normale OKP: 15% SB, max. CHF 1000.– p.a.
(= CHF 300.– p.a. mehr wie Status quo)
- Prämienrabatt ist weiterhin zulässig!
- Verbesserter Risikoausgleich zwischen den Kassen - ebenfalls sehr wichtig

Grundsätzlich hätte die Vorlage die Ärztenetze, die heute schon bestehen, gestärkt und die Macht der Kassen wesentlich reduziert. Es wurde aber immer das Gegenteil behauptet, weil man damit gut Stimmen gewinnen kann. Paradox ist ja, dass heute schon über 50% der Bevölkerung in einem Hausarztmodell versichert ist...

Mich hat wirklich erschreckt, wieviel Mist hier erzählt wurde und mit welchen Halb- bzw. Ganz-Unwahrheiten Angst geschürt wurde. Und es wäre ja naiv zu glauben, dass das bei anderen Vorlagen anders ist. Dort merke ich es einfach nicht... Gleichzeitig kann ich mich nicht zu jeder Vorlage so tief informieren, dass ich mir eine unabhängige Meinung bilden kann. Ich bin als Stimmbürgerin also sehr manipulierbar.
warum
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 27.01.2012
Beiträge: 183
Danke für deine Erklärungen. Ehrlich gesagt verstehe ich die Zusammenhänge immer noch nicht wirklich. Kannst du mir noch sagen, warum die normalen Hausärzte dagegen waren? Das sind ja die Kleinverdiener unter den Ärzten.
Smile79
Dabei seit: 07.04.2009
Beiträge: 2397
gesundheitswesen...

... meine bescheidene (unwissende) meinung...

... findet sich politisch (links/rechts... verstrickungen mit nebenämter) kein vernünftiger weg....
.... wird es der bevölkerung den "nuggi" raus spicken.

(ein haifischbecken mit machtspielen zwischen pharma/ärzte/kk.... und die regierung schaut zu, da zu viele ihrer vetreter hier mitspielen)

und dann kommt die einheitskasse vors volk.....
Malaga1
Dabei seit: 01.12.2007
Beiträge: 521
Die Hausärzte waren eher dafür, bis auf ein paar Exponenenten und ein paar geografische Gebiete wie Basel, Waadt und Tessin, die aus meiner Sicht aber auch nicht ganz begriffen haben, um was es WIRKLICH geht. Vehement dagegen waren vor allem die Spezialisten. Aber auch unter den Hausärzten gibt es viele, die zwar immer jammern, aber auch nicht wirklich etwas ändern wollen. Das Jammern geht in die Richtung "Ich will mehr verdienen, aber ganz sicher nichts ändern". Denn sind wir ehrlich: Es ist auch bei den Hausärzten ein Jammern auf hohem Niveau... Und für die Spezialisten wird es kaum ein besseres System geben als das jetzige. Warum sollen sie etwas ändern wollen? Ich bin aber überzeugt, dass wir viel Geld im Gesundheitswesen sehr ineffizient einsetzen und das gar nicht zum Nutzen des Patienten. Mehr Medizin ist nicht immer besser. Gerade am Lebensende könnten horrende Summen eingespart werden, ohne Nachteil für den Patienten (Es geht hier um die Frage Verlängert man das Leben oder das Sterben?). Und zur Einheitskasse: 5% der Gesundheitskosten sind Verwaltungskosten. DIe SUVA arbeitet auch nicht günstiger. Schaut mal in die Länder mit einer EInheitskasse, z.B. Grossbritannien. Dort ist nix mehr mit Dialyse ab 70 etc. Ich bin überzeugt, dass wir nicht darum herum kommen werden, eine Diskussion zu führen, welches Gesundheitswesen wir uns leisten können und wollen. Die Meinung von Jacques de Haller (soeben abgewählter FMH-Präsident) "jetzt müssten halt die Kantone mitzahlen" (will heissen der Steuerzahler) kann ja nicht wirklich ernst gemeint sein. So nach dem Motto "Wir Ärzte haben es uns doch so gemütlich gemacht. Der Staat soll doch bitte bezahlen, damit wir ja nichts ändern müssen."
Pippilangstrumpf
Dabei seit: 25.10.2007
Beiträge: 1243
malaga, so wie du es jetzt aber darstellst, stimmt es m.E. auch nicht ganz.

der punkt der vorlage war, dass es einem nicht mehr gestattet ist, direkt einen facharzt aufzusuchen, und dass es für eine überweisung nicht nur die zustimmung des hausarztes sondern auch jene der versicherung braucht.

ich habe erlebt, dass die versicherung die zustimmung verweigert hat. der patient hat schliesslich selber bezahlt, bloss war es zu diesem zeitpunkt zu spät, um noch was zu unternehmen. pech gehabt...

ausserdem macht es mich extrem sauer, dass immer wieder auf den "kleinen" herumgehackt wird, wenn wir mal zum arzt gehen, selbst wenn es mal nicht unbedingt nötig gewesen wäre.

hingegen traut sich niemand zu erwähnen, was all die pflegefälle kosten :

für einen pflegefall bezahlt die kk rund 5000 / monat. ausgehend von einer kkprämie von CHF 250 / monat für einen erwachsenen, müssen 20 personen prämien bezahlen, um die kosten für einen einzigen pflegefall zu decken. man rechne...

in all den jahren habe ich aber nie nur einen einzigen vorschlag gehört, wie man diese kosten senken könnte. im gegenteil, diese kosten steigen von jahr zu jahr, ohne dass stimmen laut werden, dass es reicht.

solange sich dies nicht ändert, bin ich nicht bereit, mein bestimmungsrecht bez. kk schmälern zu lassen
GabrielaA
Dabei seit: 18.10.2002
Beiträge: 5446
@Pippilangstrumpf: Treffend formuliert. Wer zum Pflegefall wird, hat sich das sicher nicht ausgesucht, doch, es gibt auch leider Schmarotzer, die auf Kosten anderer unterstützt werden.

So kenne ich einen Fall, eines sehr starken Rauchers. Er sitzt nur zu Hause rum, kann max. wenige Schritte vom Sofa zur Haustüre machen oder vom Sofa auf den Balkon. Mehrmals die Woche wird ihm teuren Sauerstoff geliefert. Während unten das Fahrzeug mit Sauerstoff vorfährt, wartet er mit einer brennenden Zigarette darauf. Er muss den Sauerstoff immer mit sich rumtragen. Er raucht eine Zigarette, atmet Sauerstoff ein, raucht wieder, usw.

Anderseits hatte ich eine Verwandte, die schon ab jungen Jahren teilinvalid war, Mutter zweier Kinder. 30 Jahre lang hat sie sich mehr schlecht als recht durchgeschlagen. Von der IV musste sie sich immer sehr peinlich Fragen stellen lassen. Auf Fragen, wie zbsp: können sie noch selber kochen, antwortete sie mit: "Ja, ich muss, aber es ist sehr mühsam", hiess es dann, ja es ist möglich. Also noch weniger IV-Anteil.

Auch von Eltern behinderter Kinder weiss ich, dass sie oft um Hilfsmittel bei der IV kämpfen müssen und teilweise selber berappen.