Als Deutsche nicht erwünscht in der Schweiz

KlaraM
Dabei seit: 01.03.2013
Beiträge: 1770
"Manya" schrieb:

Ich : "Nein, die reden richtiges hochdeutsch."


Richtig? Und das Gegenteil von richtig ist bekanntlich falsch. Autsch!

Ist es nicht so, dass man seine eigene Sprache als neutraler und richtiger empfindet als andere Varietäten? Aber ist sie es denn auch? Was genau ist richtig? Das gesprochene Hochdeutsch der Hamburger, der Berliner, der Kölner und der Konstanzer unterscheidet sich ebenfalls. Welches ist denn nun in deinen Augen richtig? Ist das auch richtig für die Schweiz? Das ist das, was viele Schweizer an den Deutschen in der Schweiz stört: die "wir wissen es besser und wir machen es besser"-Einstellung.

Meines Wissens gibt es sechs oder sieben Standarddeutsch-Varietäten und keine davon ist von vornherein richtiger als die andere. Es ist eine Frage der Region, welche richtig und welche falsch ist. Schweizer Hochdeutsch ist eine dieser Varietäten. Natürlich und hoffentlich auch ist sie die Norm in den Schweizer Schulen. Warum sollten wir uns am Bundesdeutschen Hochdeutsch orientieren? Nur weil es in einem grösseren Gebiet gilt? In England wird schliesslich auch nicht Amerikanisches Englisch gelehrt und gelernt.
Wenn das deutschstämmige Kind in der Schule Schweizer Schulhochdeutsch spricht, dann irritiert das vielleicht die deutsche Mutter, aber es ist völlig normal und eben richtig (!). Das Kind ist einerseits schlau genug zu merken, welche Sprache in welchem Umfeld angebracht ist, und andererseits will es auch nicht auffallen.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Jahre in der Schweiz sicher längst Spuren in deiner Sprache hinterlassen haben, so von wegen richtig. Wetten, du sagst "das Tram", wenn du mit deinen Kindern sprichst?

[Dieser Beitrag wurde 2mal bearbeitet, zuletzt am 12.04.2013 um 09:26.]
Blue64
Dabei seit: 20.08.2003
Beiträge: 1456
KlaraM, ich bin jetzt 13 Jahre in der Schweiz und rede immer noch das Hochdeutsch, das ich in Österreich lernte.

Und bei mir heisst es immer noch "die Tram", "die Butter"... und meine Kinder können damit umgehen. Jedoch, und das gebe ich zu, habe ich immer den Duden griffbereit, um nachzuschlagen, ob eine Unstimmigkeit, die ich im Schreiben oder sprechen meiner Kinder bemerke, tatsächlich ein Fehler ist oder eben eine Schweizerhochdeutsch-Varietät!

Allerdings täte es gut, sich gegenüber dem Bundesdeutsch-Hochdeutsch weniger arrogant zu verhalten: ich für meinen Teil lege grossen Wert darauf, dass meine Kinder wissen, dass es eben diese und jene "richtige" Variante gibt, nur für den Fall, dass sie sich später auch einmal ausserhalb der Helvetischen Grenzen für Jobs bewerben, dort arbeiten, leben, etc. wollen.
Denn selten weiss man in Deutschland und in Österreich über die Schweizer Hochdeutsch Varietäten Bescheid und dann kann z.B. ein falscher Artikel schon mal sehr schräg rüberkommen.






Ich denke, also bin ich hier falsch !
KlaraM
Dabei seit: 01.03.2013
Beiträge: 1770
"Blue64" schrieb:

Allerdings täte es gut, sich gegenüber dem Bundesdeutsch-Hochdeutsch weniger arrogant zu verhalten: ich für meinen Teil lege grossen Wert darauf, dass meine Kinder wissen, dass es eben diese und jene "richtige" Variante gibt, nur für den Fall, dass sie sich später auch einmal ausserhalb der Helvetischen Grenzen für Jobs bewerben, dort arbeiten, leben, etc. wollen.


Hättest du meinen Beitrag richtig gelesen, wäre dir aufgefallen, dass ich genau das beanstande: Anpassung ist angesagt, wenn man sich in anderen Gebieten aufhält anstatt Naseweisetum. Natürlich wissen die Kinder, dass es Unterschiede gibt. Genauso wie sie wissen, dass es amerikanisches und britisches Englisch gibt und selbstverständlich das amerikanische in Amerika richtig ist und das englische in England. Das heisst nicht, dass der Amerikaner in England seine Herkunft verleugnen soll, aber seinem Kind zu sagen, in der Schule würden sie das falsche Englisch sprechen, das wäre dann eben die Unfähigkeit, die Sprache der Situation anzupassen.

Mich stört es übrigens gar nicht, wenn mein Kind eine deutsche Lehrperson hat. Sie darf auch weiterhin ihr Hochdeutsch sprechen, solange sie das andere nicht abwertet. Ausser das "Schiasso" (tatsächlich vorgekommen), da musste ich (beim Kind) intervenieren und das richtig stellen. Diese Aussprache mag in Deutschland hinkommen, aber nicht in einem Schweizer Schulzimmer, das ist hier in der Schweiz eben falsch.
Blue64
Dabei seit: 20.08.2003
Beiträge: 1456
KlaraM, "Schiasso" ist wohl in jedem deutschsprachigen Land falsch!





Ich denke, also bin ich hier falsch !
fraulein
Dabei seit: 26.10.2003
Beiträge: 1583
Ich finde durchaus, dass in der Schule mehr "hohes" Hochdeutsch statt Schweizer Hochdeutsch gesprochen werden sollte.

Wenn ein Lehrer Französisch und Englisch unterrichten will, wird heute verlangt, dass er entsprechende Qualifikationen und Ausbildungen aufweist, immer verbunden mit einem mehrwöchigen Sprachaufenthalt. Meiner Meinung nach würde auch ein Aufenthalt in deutschen Landen nicht unbedingt schaden. Die meisten Menschen können eine Fremdsprache nicht akzentfrei beherrschen (guck dir mal Schwarzenegger an: der kann heute weder richtiges Deutsch noch richtiges Englisch icon_smile.gif und darum geht es auch nicht, aber gewisse Worte sollten richtig gesetzt werden können.

"I bi i d'Schuel glaufe" - heisst nun mal nicht "ich bin in die Schule gelaufen", weil "laufen" in deutsch nun mal etwas anderes ist als "laufen" in Schweizerdeutsch.

Umgekehrt: lebt man tatsächlich in einem anderssprachigen Land, wird man automatisch einen anderen, vielseitigeren und vielleicht auch passenderen Wortschatz erwerben.@Blue64: ich denke, wenn man nicht gerade Hochschulabsolventen in deutscher Grammatik unterrichtet, sollte auch mal "der" Butter toleriert werden icon_smile.gif Sonst müsste ich doch glatt behaupten, dass du österreichischen Charme verloren, dafür schweizer Tüpflischisserei erworben hast icon_smile.gif

Partner, 4 Kinder mit teilweise Schwiegerkindern, aktuell 2 Enkel :-)
Stricken, Lesen und immer wieder an meinem Lieblingsplatz sitzen und den Bäumen zuhören.
KlaraM
Dabei seit: 01.03.2013
Beiträge: 1770
@Fraulein

Der Butter ist falsch, auch in der Schweizer Rechtschreibung. Ohne Wenn und Aber.
Die deutsche Lehrperson meines Kindes spricht übrigens keineswegs akzentfreies Hochdeutsch. Weit gefehlt. Ich gehe mal davon aus, dass akzentfreies Sprechen in der deutschen Lehrerbildung genauso wenig vorkommt wie in der Schweiz.
Aber wie gesagt: mir ist das egal, ob nun ein Berner oder ein ostdeutscher Akzent. Wichtig ist, dass die Sprache korrekt ist, und da spielt die Herkunft zwar schon eine Rolle, aber längst nicht nur.

Dem bundesdeutschen Deutsch begegnen unsere Kinder sowieso häufig, nicht nur in der Standardsprache, sondern mit allen Facetten. Da bin ich unbesorgt.
tjatja
Dabei seit: 06.12.2008
Beiträge: 329
mir es so was von egal, welche sprache mein gegenüber spricht, hauptsache wir verstehen uns!

links von uns wohnen holländer, auf der anderen strassenseite dänen, meine beste kollegin im quartier ist deutsche, fünf häuser weiter lebt eine russin mit ihrem schweizer ehemann und eingangs quartier wohnt eine italienische familie.

und rechnen darf nun jeder selber...unser quartier hat 13 häuser!

ich kehre halt meine zunge und rede in der sprache, in der wir uns beide am besten zusammen verstehen.

das finde ich total lässig so und könnte es mir nicht anders vorstellen.

Manya
Dabei seit: 30.05.2002
Beiträge: 1707
Beruhigt Euch, es gibt tatsächlich Lehrer, die ein "Blocher"- Hochdeutsch geradezu zelebrieren.

Unter richtigem Hochdeutsch verstehe ich das, was im Duden steht, zufrieden? icon_wink.gif)

Wer Schiasso sagt, kann wohl kein italienisch bzw. weiss nicht wo Chiasso liegt, oder? Blödes Beispiel!

Noch nirgendwo habe ich erlebt, dass dermassen in Länge und Breite als erstes der Dialekt und die Herkunft des Gegenübers so diskutiert wird wie in der Schweiz. Weiss nicht ob das Hobby ist oder der Abgrenzung dient?

Ich habe grad etwas Interessantes zum Hochdeutsch in der Schule bei wikipedia gefunden:

Untersuchungen des Sprechverhaltens von Erst- und Zweitklässlern an Deutschschweizer Volksschulen zeigen, dass Erstklässler ein Standarddeutsch sprechen, das näher am bundesdeutschen Hochdeutsch (kurz: Bundesdeutsch) ist als das Deutsch der Zweit- und Drittklässler. Gelernt haben sie es ausserhalb der Schule. Dabei spielt das Fernsehen eine wichtige Rolle. Erstklässler sprechen zum Beispiel die «Ich»- und «Ach»-Laute dem Bundesdeutschen ähnlicher aus als Zweitklässler. Schulkinder lernen also in den ersten Schuljahren, wie Schweizer Standarddeutsch zu klingen hat, passen ihre Artikulation an und entfernen sich dabei vom Bundesdeutschen. Dass Deutschschweizer eine erkennbar schweizerische Form der Standardsprache sprechen, ist demnach als Resultat eines Lernprozesses und der Anpassung an eine Sprachkonvention zu sehen. Triebfeder hinter dieser Anpassung sind das Streben nach Konformität und der Wunsch, von der Sprachgemeinschaft als Mitglied anerkannt zu sein




Priska3
Dabei seit: 31.08.2012
Beiträge: 22
Welches Deutsch in der Schule gesprochen wird, hängt von der Lehrperson ab. Meine Freundin aus dem Süddeutschen Raum hat mir mal gesagt, dass die wenigsten Deutschen das "Schriftdeutsch" sprechen. Wie in der Schweiz, Frankreich, England usf. wird auch in Deutschland Dialekt gesprochen.
Wo ich mir vorstellen kann, dass hochdeutsch sprechende Personen Mühe habe, ist wenn sie in einem Callcenter arbeiten. Ansonsten ist die Schweiz sowieso multikulti.
anna_stesia
Dabei seit: 25.10.2007
Beiträge: 2623
aber hallo: der butter ist auch in der schweiz falsch! entweder "die butter" oder "der anke"

doof bleibt doof, da helfen keine pillen.