OA - Overeaters Anonymous

au-pair06
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 28.11.2006
Beiträge: 16
Wer hat damit schon Bekanntschaft gemacht und kann mir von seinen Erfahrungen berichten? Ich freue mich auf Dein Feedback ..
( Gerne auch per PN)
jomoh
Dabei seit: 08.05.2006
Beiträge: 204
ich bin OA-Mitglied seit 2 Jahren. Bei mir war es so, dass ich alles Mögliche ausprobiert habe, z.B. Weight Watchers, Ernährungsberatung mit psychologischem Schwerpunkt, etc und nichts half. Ich merkte, dass mir keine Diätmethode hilft und dass mein Problem tiefer liegt. So bin ich auf OA aufmerksam geworden und da merkte ich sofort, dass ich am richtigen Ort bin: mein Essproblem ist wirklich eine SUCHT und ein Lebensproblem, ich bin total machtlos gegenüber dem Essen. Mir hats auf Anhieb sehr gefallen in dieser Selbsthilfegruppe, es war das erste Mal, dass ich mich verstanden fühlte und Leute traff mit ähnlichen Problemen. Für mich ist das Programm sehr überzeugend und in der Gruppe (Bern), die ich regelmässig besuche, gefällt mir sehr. Ich kanns nur empfehlen, und es ist übrigens gratis und die Treffen finden jede Woche statt.
Das Programm entspricht dem der Anonymen Alkoholiker und ist meiner Meinung nach sehr überzeugend, da es ein Lebensprogramm ist.
Ich kann dir noch mehr darüber erzählen, wenn du interessiert bist.

Ich finde es schade, dass OA so wenig bekannt ist, wo ja Übergewicht ein so gravierendes und häufiges Problem unserer Gesellschaft ist...
au-pair06
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 28.11.2006
Beiträge: 16
Hallo jomoh

Vielen Dank für Deine ausführlichen Schilderungen. Mein Problem ist Deinen Problem äusserst ähnlich und ich bin selbst zur Erkenntnis gekommen, dass auch die kognitive Verhaltenstherapie (ich leide an Binge eating disorder/BED) bei der Psychologin nichts bringt. Diäten, Medikamente etc. habe ich in den vergangenen Jahren alle Querbeet durchprobiert und ad acta gelegt - es bringt nichts!

Ausser OA oder einem chirurgischen Eingriff (Magenband oder so was in der Art) bleibt mir nichts mehr übrig. Da ich aber ein extremes Verlangen nach Essen habe, schliesse ich den chirurgischen Eingriff eigentlich für mich aus, weil damit mein Problem nicht behoben wäre...)

Nun habe ich im Internet gesurft und bin auf die OA gestossen. Es ist eine etwas "eigenartige Gemeinschaft" (sorry, wenn ich das so schreibe, es ist nicht negativ gemeint) von der ich bislang nie etwas gehört habe und deshalb bin ich etwas unsicher, ob es wirklich das richtige ist (irgendwie kommt das so Sektenartig rüber, deshalb meine Bedenken....)

Ich habe jedoch via Homepage der Zentrumss-Selbsthilfe Basel den Link zu OA gefunden und denke, dass es "halbwegs" seriös sein muss, sonst wäre es bestimmt nicht aufgeführt...

Wenn Du Zeit und Lust hast, würde ich mich wirklich freuen, wenn Du mir mehr über OA berichten könntest...

Herzlichen Dank und liebe Grüsse...
jomoh
Dabei seit: 08.05.2006
Beiträge: 204
liebe au-pair06
Vielen Dank für deine Antwort! Ich verstehe dich so gut, ich kenne das bestens, den ganzen Tag dieses unglaubliche Verlangen nach Essen...Bei mir hat ein Diätversuch nur bewirkt, dass ich noch zwanghafter gegessen habe als vorher.. Bei mir ist es wohl ähnlich-binge eating oder wie wir bei OA auch sagen, zwanghaftes Überessen.

Das was du schreibst von wegen eigenartig: ja, genauso ging es mir auch, als ich das erste Mal auf der OA-Homepage war. Und als ich ans erste Meeting ging, verstand ich zuerst einiges nicht. Ich verstehe dich von daher sehr gut! Ich kann dazu nur sagen: ich kenne z.B. einige Freikirche und so, und bin da recht kritisch und "allergisch" auf gewisse Dinge. Und so ists definitiv nicht in einer OA-Gruppe! Ich hatte auch Angst vor dem Sektenhaften, aber ich merkte schon beim 1. Meeting, dass es nicht so ist, ganz im Gegenteil, so vom eingeengt oder bedrängt sein her. Da ich in solchen Dingen überempfindlich bin, hätte ich mich niemals wohlgefühlt in einer Gruppe. Da es aber einige Besonderheiten gibt, wirkt OA schon ein wenig so.

Ich kann dir als Beispiel sagen wie so ein Meeting abläuft: wir haben immer abwechslungsweise ein Thema, das wir frei wählen oder wir lesen im OA-12-Schritte-Buch (das ist das Programm) und sprechen dann darüber. Da sind dann die Regeln schon mal speziell: wenn man etwas sagen will, sagt man jedesmal "ich heisse xxx und bin essüchtig" o.ä. Das mutet natürlich zuerst sehr komisch an, hat aber einen Sinn, dass man lernt, zur Sucht zu stehen. Und dann ist es so, dass man das was gesagt wird, nicht kommentiert. Also jemand sagt etwas zum Thema, und es geht eigentlich dann niemand direkt drauf ein. Das ist auch sehr komisch, aber auch das hat einen Sinn: man lernt, die andern nicht zu verurteilen und unangebrachte Tipps zu geben.
Für mich ist jedes Meeting wieder ein Auftanken und ich fühle mich dort akzeptiert, egal wie unmöglich ich wieder gegessen habe...

Diätpläne haben wir ja keine. Die meisten OA's haben aber einen Essplan, den sie selber erarbeitet haben mithilfe eines erfahrenen OA-Mitglieds (oder auch noch Ernährungsberaterin oder sonst einer Fachperson). Der einfachste Essplan ist z.B. 3 Mahlzeiten und nichts dazwischen. So habe ich angefangen und versuche nun schrittweise die Suchtmittel zu reduzieren, bzw. "abzusetzen" und die Mengen zu begrenzen. Das fällt mir aber unglaublich schwer, und da ich so extrem immer genascht habe, beim Kochen, Küche aufräumen etc etc habe ich da extrem Mühe, eine Mahzeit abzuschliessen...
Dazu kommt das 12-Schritte-Programm, das aber auch jedem freisteht, ob und wie er da drin arbeitet. Ich bin da auch dran mit diesem langjährigen OA-Mitglied. Der 1. Schritt ist z.B. "Kapitulation": "wir gaben zu, dass wir dem Essen gegenüber machtlos waren..."

In welcher Gegend wohnst du? Am besten ists, mal ein paar Meetings zu besuchen, und sich nicht abschrecken zu lassen von diesen "komischen" Dingen! Mit der Zeit versteht mans dann besser.

Und übrigens, in den Gruppen sind nur selber Betroffene, es gibt keine Leiter und Fachpersonen. Ich muss sagen, es ist für mich unglaublich, was ich alles lernen kann von andern OA-Mitgliedern, und es ist so ganz anders als bei Therapeuten etc, die das Problem nicht selber kennen. Und den Austausch empfinde ich als sehr wertvoll, und eben überhaupt nicht so wie z.B. hier im Forum ja oft, dieses Verurteilen...
jomoh
Dabei seit: 08.05.2006
Beiträge: 204
PS noch zum Ort: es gibt in Bern, Basel und Zürich Gruppen und noch in der franz.sprachigen Schweiz. Leider ist die Organisation in der Schweiz geschrumpft, deshalb gibt es nicht mehr viele Gruppen. In Deutschland und Amerika z.B. gibt es viel mehr und ist viel anerkannter. Es gibt dort auch Kliniken, in denen die Fachleute mit OA zusammenarbeiten.
au-pair06
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 28.11.2006
Beiträge: 16
Hallo und guten Morgen jomoh

Ganz, ganz herzlichen Dank für Deine ausführlichen Schilderungen - Du hast mir schon so viel weiterhelfen können. Ich merke, dass wir "Gemeinsamkeiten" haben und von daher wären die OA definitv einen Versuch wert...

Ich bin im Grossraum Basel zu Hause und würde die Gruppe in Basel besuchen. Auf der Homepage des "Selbsthilfezentrums Basel" bin ich auf die OA gestossen. Eigentlich suchte ich eine BED-Selbsthilfegruppe, aber diese scheint laut Telefonat mit dem Selsthilfezentrum bereits wieder der Vergangenheit anzugehören. Der Kontakt mit einem ehemaligen BED-Gruppenmitglied hat leider nicht den von mir erhofften Austausch ermöglicht. Und erzwingen will ich nichts...

Bei den OA würde es mich des weiteren interessieren, wie wichtig es ist, an den Treffen teilzunehmen? Welche Verpflichtungen geht man ein? Wie lange dauert so ein Meeting eigentlich und muss man pünktlich erscheinen? Wie stark bleibt die Anonymität gewahrt? Oder darf man mit Mitgliedern, die man mag und die einem sympathisch sind, näheren Kontakt pflegen?
Gehört man, wenn man mal bei den OA dabei ist, quasi lebenslänglich dazu...?

Sorry, Fragen über Fragen, ich weiss! Trotzdem bin ich unglaublich froh, wenn Du mir bei Gelegenheit mehr über OA schreiben könntest...

Herzlichen Dank und liebe Grüsse...
jomoh
Dabei seit: 08.05.2006
Beiträge: 204
liebe aupair
Ich antworte gerne auf deine Fragen, das tut mir selber auch gerade gut! Ja, wir haben sicher Gemeinsamkeiten, was das Essverhalten anbelangt...

Noch zu den Meetings: sie werden sehr empfohlen, als eigentlich fast das wichtigste, weil man vom direkten Kontakt sehr profitiert. Man erzählt ja im Meeting jeweils etwas von sich, und immer wieder hört man Dinge, die man selber genauso erlebt oder man hört fast gar die eigene Geschichte. In unserer Gruppe ist es so, dass wenn jemand Neues kommt, machen wirs so, dass sich jeder vorstellt und seine "Essgeschichte" erzählt. (Die neue Person muss aber nichts sagen, ist ihr freigestellt.) Für mich war das in meinem ersten Meeting so toll, das erste Mal in meinem Leben jemanden zu hören mit der fast gleichen Geschichte und Problemen... ! Nochmals: niemand wird gedrängt zum Reden, schon gar nicht Neue. Es gibt Leute, die zuerst nur zuhören. Ich erlebe da sehr wenig Druck, für mich es ist so ein wohltuende Atmosphäre, in der jeder akzeptiert wird.
Und Verpflichtung geht man keine ein. Es gibt solche, die kommen einmal oder ein paar Male, dann nicht mehr. Das steht jedem ganz frei. In meiner Gruppe gibt es auch solche, die schon jahrelang dabei sind und immer sagen, sie brauchen es einfach, um "dranzubleiben" und nicht wieder rückfällig zu werden. Auch ich werde wohl noch sehr lange dabei sein... Es gibt mir immer wieder Kraft zum Weitermachen. Ich war eine Zeitlang auch beim OA-Kokon dabei, das ist etwas wie ein OA-Forum. Aber ich merkte, dass ich einfach mehr brauche als virtuelle Kontakte...

Es gibt ja keine Mitgliederbeiträge, höchstens einen kleinen Beitrag an die Raummiete (bei uns 4.- pro Mal), aber auch das ist jedem freigestellt.
Ein Meeting dauert 1,5 Stunden, und es ist wie überall, dass man wenn möglich pünktlich sein sollte, aber es geht auch, wenn man später kommt oder früher geht.

Ich hoffe, deine Fragen beantwortet zu haben! Und ich beantwortet gerne noch mehr!

Liebe Grüsse
jomoh

PS: du weisst es ja vielleicht schon, aber trotzdem: das Meeting in Basel findet ja montags um 19h30 statt, Schweizergasse 23.
jomoh
Dabei seit: 08.05.2006
Beiträge: 204
nochmals ich! Es gibt auch solche, die jahrelang dabei waren, nun aber nur noch sporadisch kommen, dann gar nicht mehr. Es gibt da also fast alles, und wie gesagt, verpflichtet ist niemand.
au-pair06
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 28.11.2006
Beiträge: 16
Hallo, liebe jomoh

Sorry, wenn ich Dich so löchern muss mit meinen Fragen. Aber so langsam habe ich das, was ich unbedingt wissen möchte, durch Dich in Erfahrung bringen können. Danke vielmals, gäll... icon_wink.gif)

Was mich noch interessiert, ist die Arbeit des 12-Punkte-Programms mit einem OA-Mitglied, welches schon länger dabei ist. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus? Wann, wielange und wo arbeitet man daran?

Und dann habe ich irgendwo auf der Homepage gelesen, dass ein täglicher Telefonkontakt mit einem OA-Mitglied erfolgen sollte. Wie handhabst Du diese Angelegenheit resp. wie sieht das konkret aus..?

Wenn Du mir zu diesen beiden Fragen ein kurzes Feedback zukommen lässt, wäre das echt super....

En schöne Tag und liebi Grüess..
jomoh
Dabei seit: 08.05.2006
Beiträge: 204
liebe au-pair
gerne geschehen! Das mit der Arbeit im 12-Schritte-Programm steht auch jedem Mitglied frei. Mir wurde es so empfohlen (viele unserer Gruppe machens so, aber nicht alle): sich ein Mitglied unserer Gruppe suchen, das schon viel Erfahrung mit dem Programm hat. Dem sagt man bei OA "Sponsor". Ich habe also eine Frau, die seit bald 10 Jahren dabei ist und abstinent ist und die eine ähnliche Esstörung wie ich hatte, gefragt, und sie war bereit. Wir machens seit dem so, dass wir uns ca. einmal im Monat (oder eher weniger) in einem Restaurant treffen. Und jedesmal habe ich ein Kapitel im 12-Schritte-Buch gelesen, also einen Schritt, und wir diskutieren dann darüber, ich stelle Fragen, sie erzählt von ihren Erfahrungen etc. Manchmal treffen wir uns auch vor einem Meeting, und ich stelle ihr Fragen punkto Essen und Essplan. Auch da kann sie mir enorm viel helfen, indem sie mir erzählt, wie sie es selber gehandhabt hat, wie sie ihren Weg gegangen ist. Dabei ist es so, dass aber jedes OA-Mitglied für sich selber den eigenen Weg herausfinden muss. Die Essens-Tipps meiner Sponsorin z.B. versuche ich dann z.T. auch aus, aber es funktioniert bei mir nicht alles so wie bei ihr, also verwerfe ichs wieder, versuche etwas anderes. Prinzipiell ist es so, dass jedes OA-Mitglied immer nur von sich reden kann, keinesfalls einem anderen Mitglied etwas vorschreiben kann. Und ich hätte nie gedacht, wieviel dass das bringt, Erfahrungen von anderen Essüchtigen zu hören! Z.T. viel mehr als von Fachleuten, denen es oft an Wissen fehlt, wo es eben um die SUCHT geht. Ich habe zwar auch von den Therapien profitiert, die ich machte (u.a. Verhaltenstherapie!), aber es führte zuwenig an die Wurzeln meines Problems.
Dann noch wegen des Telefonkontakts: das machen viele OA-Leute, ihrem Sponsor jeden Tag telefonieren und den Essplan durchgeben. Scheinbar wirkt das sehr gut, wegen der Verbindlichkeit und so. Aber ich habe das nie so gemacht. Ich telefoniere zuwenig gerne und meine Sponsorin wollte das auch nicht von ihrer Arbeit her und so. Sie selber hats damals auch nicht so gemacht. Was ich aber mache, aber niemals jeden Tag, ist, dass ich ihr per Mail mitteile, wie's mit dem Essen gegangen ist, was ich am Essplan geändert habe etc. Es wäre eben eigentlich schon gut, um mich ein wenig zu "verpflichten". Aber im Trubel des Alltags schaffe ichs nur phasenweise, wieder mehr zu mailen, dann wieder weniger. Ich maile aber manchmal auch mit anderen von der Gruppe so zum Austausch. Und besonders hilfreich finde ichs auch, wenn ich eine schwierige Zeit habe, wenn ich wiedermal zurückgefallen bin und z.B. einen Fressanfall gehabt habe etc.
Allgemein wegen Telefonaten kann ich von unserer Gruppe sagen: wir machens nicht so, wir mailen mehr. Aber das ist alles unverbindlich und sehr individuell.
Ich habe übrigens erst so nach einem halben Jahr so eine "Sponsorin" gefragt. Zuerst mal ging ich einfach in die Meetings, hörte zu und las ein wenig in der Literatur, die übrigens immer von Selber-Betroffenen geschrieben ist. Es ist ja eigentlich eine unabhängige Organisation von Selber Betroffenen, unabhängig von Insitutionen und auch religiös neutral.

So, das wärs mal! Wie gesagt, stell nur noch mehr Fragen, wenn du willst, ich antworte gerne! Heute abend bin ich wieder zuhause.

Liebe Grüsse und guter Tag
jomoh

PS: du hast mal noch wegen der Anonymität gefragt. Die wird in OA für sehr wichtig genommen. Nach meiner Erfahrung wird sie sehr gut gewahrt.