Patchwork Familie: Wie sehr darf sich ein Partner engagieren?

Prager
ThemenerstellerIn
Dabei seit: 26.04.2012
Beiträge: 3
Ich war bis jetzt ein „Zaunleser“, deshalb erstmal hallo. Kurz zu mir: ich lebe in einer Patchwork-Familie mit Frau und zwei Kindern. Ich selbst bin kinderlos und es ist das erste Mal, dass ich eine Partnerin mit Kindern habe. Ich liebe die Frau sehr, und mag auch die Kinder sehr, was auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint. Aufgrund dieser Voraussetzungen sind wir vor 9 Monaten zusammen gezogen – und seither scheppert’s ganz kräftig in der Kiste.

Ein ganz grundsätzliches Thema ist unsere Kommunikation. Ich bin ein ziemlich direkter Typ, und spreche die Dinge an, die positiven wie auch die negativen. Das äussert sich z.B. so, dass ich hundertmal auf die Frage meiner Frau, ob das Essen schmecke, wahrheitsgemäss antworte: ja, es ist super lecker. Aber einmal habe ich gesagt: heute war mir das Essen zu salzig. Ergebnis: Krise! Verunsicherung aufseiten meiner Frau, ob sie denn zu salzig kocht. Verzicht auf Salz in den nächsten Tagen und Wochen. Als wir dann mal darüber sprechen konnten, kam raus, dass es bei ihr Wochen dauert, bis sie einen Punkt anspricht. Dementsprechend hat sie meine Rückmeldung so verstanden, dass das Problem „zu viel Salz“ ebenfalls schon seit Wochen besteht. Anderes Beispiel: 100mal kann ich meiner Frau sagen, dass sie toll aussieht. Einmal sage ich aber, das steht Dir nicht (ok, war ungefragt), und es herrscht wieder Eiszeit. Meine Partnerin hat mir letztens eröffnet, dass sie sich von mir ständig bewertet fühlt. Die positiven Rückmeldungen versteht sie als „so und so will ich Dich haben“, die negativen als „ändere das, sofort“. Weder das eine noch das andere ist meine Meinung, und ich werde zunehmend spachlos, weil ich mich nicht mehr traue irgendwas zu sagen.

Dieses Muster zieht sich leider auch im Bereich Kindererziehung, und da haben wir nun echt ein massives Problem, an dem unsere Beziehung zu scheitern droht. Der ältere Bub hat Schwierigkeiten in der Schule, das war schon bevor ich ins Leben dieser Familie trat. Bevor wir zusammengezogen sind, drohte er abgestuft zu werden. Der Ortswechsel war deshalb auch eine Chance für ihn, neu anzufangen, und von ihm so verstanden worden. Nach einer kurzen positiven Phase gibt er aber schon wieder ab. Der Bub ist 14, zwar ein cleverer Bursche, aber faul (sieht er selbst genauso), macht deshalb nur das absolute Minimum für die Schule, kriegt deshalb logischwerweise miese Noten, was ihn frustriert und dazu bringt, vor Angst vor dem nächsten Misserfolg die Schule zu schwänzen bzw. uns seine Noten zu verheimlichen. Kürzlich haben wir einen Haufen Blätter noch von seiner alten Schule gefunden, auf denen er die Unterschrift der Mutter gefälscht hat. Nach seiner letzten Aktion, als wir wegen ihm in die Schule gehen mussten, hat er uns unter Tränen hoch und heilig versprochen, dass er sich nun am Riemen reisst – geschehen ist wenig bis nichts.

Ich kann mich in dieser Situation nicht zurückhalten und spreche meine Partnerin darauf an, im Bestreben, sie einerseits zu entlasten, andereseits auch eine gemeinsame Vorgehensweise zu finden. Sie empfindet dies jedoch als Übergriff und als Kritik an ihr. Meine Vorschläge wie z.B Nachhilfeunterricht werden an einem Tag zwar als richtig gesehen, am nächsten jedoch als „Druck“ empfunden, den sie dem Buben nicht auflegen möchte, und fallen gelassen. Sie selbst hat dem Bub vor einiger Zeit gewisse Auflagen gemacht, z.B unter der Woche wird der TV nach 21.30h ausgeschaltet, und PC Spiele darf er nur am Wochenende. Nun, nach nur wenigen Wochen, ist die Situation so, dass der TV manchmal bis weit nach 22h läuft, und gespielt wird jeden Abend.

Das tragische daran ist: wir streiten nur noch. Ich darf zwar mit den Kindern zusammenleben, mit allen Konsequenzen, was Fürsorge und Verpflichtung angeht (welche ich gerne übernehme). Aber ich darf die Kinder nie, unter keinen Umständen, kritisieren, da geht sie richtig auf mich los.

Nun habe ich gestern dem Buben meine Hilfe beim Lernen bzw. Hausaufgaben machen angeboten, wir haben in der Vergangenheit schon ein paarmal zusammen gelernt. Er empfindet dies jedoch als Strafe und hat abgelehnt. Ich habe ihn daraufhin direkt wegen seiner Leistung angesprochen und ihm erklärt, dass er wegen seinem Schwänzen und Lügen bei uns sehr viel Vertrauen verspielt hat und dass seine Mutter wirklich am verzweifeln ist. Meine Partnerin empfindet dies nun wiederum als Übergriff, als unter Druck setzen, als absolutes no go.

Wie ist das in anderen (Patchwork-)Familien? Sind das die normalen Diskussionen, wenn man frisch zusammen gezogen ist? Geht das vorbei, wenn wir dran bleiben? Oder sollen wir uns externe Hilfe holen, in eine Familientherapie gehen? Ich weiss wirklich nicht mehr wie weiter. Trotz meiner Liebe zu der Frau (welche allerdings zugegebenermassen je länger desto mehr durch die ewigen Stretereien im Keim erstickt wird) überlege ich ernsthaft, auszuziehen und die Beziehung zu beenden.
pluto
Dabei seit: 23.10.2002
Beiträge: 2313
echt?
Meiner Meinung nach gibt es da genau drei Lösungen:
1. du haust auf den Tisch und machst klar, dass wenn du hier wohnst auch hier bist und lebst.
2. du hältst den Mund und schluckst einfach alles
3. du ziehst einen sauberen Schlussstrich und verbuchst es unter Erfahrungen

Der denkende Mensch ändert seine Meinung. (F.N.)
Alexa
Dabei seit: 02.01.2002
Beiträge: 131
Hallo Prager
Ich habe deinen Bericht mit grossem Intresse gelesen, da ich auch unter ähnlichen Umständen lebe, oder besser gesagt lebte. Ich habe einen Sohn (13) mit meinem Ex Mann und eine Tochter (3) mit meinem (Ex)-Partner. Die Beziehung mit meinem Partner ist gescheitert, ich ziehe in ein paar Tagen aus. Die Gründe sind vielseitig, aber die Schwierigkeiten mit meinem Sohn haben wohl den Ausschlag gegeben. Zwar waren wir lange zusammen (9 Jahre) und Anfangs ging es wirklich gut, aber je älter mein Sohn wurde um so grösser wurden die Probleme. Natürlich wirkt sich das auch auf die Partnerschaft aus icon_frown.gif. Mein Partner hat sich irgendwann einfach aus Allem ausgeklickt, weil er nicht bereit war mit mir oder meinem Sohn zu reden und einzig und allein seine Meinung zählte. Da er der dominante und autoritäre Typ ist, konnte es auf Dauer nicht gutgehen. Ich denke du musst die Probleme unbedingt mit deiner Partnerin besprechen und falls dir was an der Beziehung liegt gemeinsam eine Lösung finden. Mach dir nichts vor - es wird mit der Zeit nicht besser...eher umgekehrt. Die vielen unausgesprochenen Vorwürfe und Probleme zertören jede noch so grosse Liebe. Ich habe jetzt die Konsequenz gezogen, da ich in einer Partnerschaft leben will in der alle (Erwachsene und Kinder) glücklich sind und auch daran arbeiten es zu sein. Alles andere macht keinen Sinn. LG
Miss Maple
Dabei seit: 10.03.2010
Beiträge: 513
es ist nicht einfach, mit einem menschen der nicht kritikfähig ist lösungen zu finden.

von alleine wird es ganz sicher nicht besser, da gehört viel arbeit von beiden seiten dazu.
lisi69
Dabei seit: 21.08.2008
Beiträge: 144
Sehr schwieriges Thema. Wenn ihr untereinander als Paar nicht die gleichen Werte und Ziele verfolgt wird es noch schwieriger.
alexa3
Dabei seit: 12.05.2008
Beiträge: 97
Hallo Prager.
Ja, es ist -entschuldige den Kraftausdruck- verd... nochmal nicht einfach! Mein jetziger Mann ist kurz nachdem wir zusammen gekommen sind, bei uns (2 Kids u.ich) eingezogen und wir haben knapp ein Jahr später geheiratet. Er war sich also von Anfang an ganz klar, dass er diese Beziehung, dieses Patchwork will, und zwar, wie du es nennst, mit allen Konsequenzen, Fürsorge und Verpflichtungen.
Und wir hatten und haben manchmal noch, ganz ähnliche Diskussionen wie du sie beschreibst. Ich war lange mit den Kindern allein, bzw. auch mal in Partnerschaft-und trotzdem allein. Traf alle Entscheidungen, umsorgte und "erzog" allein. Zusätzlich bin ich auch noch dadurch geprägt, dass auch meine Mutter mich allein aufzog. Bin es also gar nicht gewohnt, sich mit Erziehungsfragen und Organisation des Alltags mit Kindern, mit einem Partner und somit auch anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Aber da auch ich diese Beziehung und diese Familie von ganzem Herzen will, musste ich und muss ich noch, einiges lernen und mich öffnen für meinen Partner.
Glücklicherweise habe ich inzwischen erkannt, dass er, trotzdem, dass er eigentlich keine Erfahrung hat mit Kindern und Erziehung (ausser dass er selber Kind war mit 2 Brüdern), sehr gute Ansichten hat und vor allem als "Aussenstehender" oder besser gesagt "Nebenstehender" auch Verhaltensweisen und Situationen sieht, die ich als "Akteurin" vielleicht nicht direkt sehe. Also, seine Sichtweise ergänzt mich! Das ist eine sehr wertvolle Erkenntnis. Ein anderer wichtiger Punkt, den ich zu akzeptieren lernen muss und eben auch die Vorteile darin sehen lernen muss, ist, dass ein Mann eben anders erzieht als eine Frau! Ich bin auch diejenige die ohne Druck und mit viel Liebe und eben auch nicht immer so konsequent (habe ich im Gegensatz zu ihm auch nicht im Elternhaus so mitbekommen) erziehe. Aber weshalb braucht ein Kind "Vater" und "Mutter"? Wenn es das einzig Richtige wäre, wie eine Mutter erzieht? ...Sich zu ergänzen, offen für den anderen zu sein und das gemeinsame Erziehen als eine Bereicherung zu sehen...das ist meines Gefühls nach die beste Grundlage für das Gelingen als "Eltern" - Patchwork oder nicht Patchwork. Ich wünsche dir, dass deine Partnerin auch bald zu solchen Erkenntnissen kommen wird.
Und Situationen wie du beschreibst, wie etwa das mit dem Essen oder Aussehen usw. ergeben sich doch einfach daraus, dass man eben verschieden tickt. Und auch hier geht es um die Offenheit und den Willen, den anderen wirklich kennen lernen zu wollen, ihn zu nehmen wie er ist und gemeinsame Wege zu finden zu etwas mehr Harmonie in der Verschiedenheit. Und natürlich auch an sich selber zu arbeiten. Um Kritik vielleicht nicht immer gleich so tragisch und persönlich zu nehmen, braucht es wohl etwas mehr Selbstwertgefühl. Das kann man lernen!
Und nicht zuletzt bleibt wohl in jeder guten Beziehung Stoff für Unstimmigkeiten, Diskussionen und Streitereien - als Eltern und als Paar.
Sorry für den laaangen Text. Entweder spricht er dich an, oder hilft dir gar nix. Ich weiss nicht, was bspw. mein Mann dir sagen würde. Ich kann nur aus meiner Sichtweise sprechen.
A und O für jede Beziehung ist der ehrliche Wille. Und der muss von beiden Seiten kommen...
alexa3
Dabei seit: 12.05.2008
Beiträge: 97
ps: pluto bringst auf den Punkt!
alexa3
Dabei seit: 12.05.2008
Beiträge: 97
bringts
Zoe007
Dabei seit: 28.02.2007
Beiträge: 1663
Also von alleine geht das Problem sicher nicht vorbei. Wenn du bleibst, ist eine Familientherapie sicher ein möglicher Weg in die richtige Richtung.

Euer Problem ist wahrscheinlich eher die Wortwahl. Ihr redet an einander vorbei. Keine Frau kocht immer super lecker oder sieht immer toll aus, es sei denn du willst ihr eine Liebeserklärung machen. Dann wären aber die anderen Aussagen das Gegenteil von einer Liebeserklärung. Weisst du was ich meine? Ihr müsst eine gemeinsame Sprache finden.
Alexa
Dabei seit: 02.01.2002
Beiträge: 131
@alexa3 - finde dein Schreiben sehr hilfreich (wenigstens für mich icon_smile.gif)